Mord in Erdweg:"Die Strafe ist mir scheißegal"

Mord in Erdweg: Nachbarn und Angehörige brachten nach der Tat Blumen und Kerzen auf das Anwesen der Rentnerin.

Nachbarn und Angehörige brachten nach der Tat Blumen und Kerzen auf das Anwesen der Rentnerin.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Arvid K. soll eine Rentnerin grausam getötet haben. Im Affekt, wie sein Anwalt sagt - oder grausam zu Tode gefoltert, wie es die Staatsanwaltschaft schildert? Vor dem Urteil hat der Angeklagte das letzte Wort.

Von Benjamin Emonts

Die zentrale Frage im Erdweger Mordprozess besteht darin, ob beim Angeklagten eine besondere Schwere der Schuld vorliegt. In den Plädoyers am Donnerstag beharrten sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft auf ihren bereits zum Auftakt des Prozesses dargelegten Positionen. Demnach geht die Verteidigung davon aus, dass Arvid K. aus dem Affekt, aus einer situativen Überforderung heraus zum Mörder wurde. Die Staatsanwaltschaft hingegen ist weiterhin überzeugt, der Angeklagte habe sein Opfer, eine 76-jährige Rentnerin, auf grausame Weise gefoltert, um an die Geheimnummer der gestohlenen EC-Karte zu gelangen.

Im Obduktionsergebnis, das vorgelegt wurde, sind Hämatome am Kopf und im Gesichtsbereich der Rentnerin dokumentiert. Der Gerichtsmediziner bezeichnete sie als "Hinweise auf eine massive, stumpfe Gewalteinwirkung". Am Körper der Ermordeten wurden 17 Schnitt- und Stichwunden festgestellt. "15 Stiche in den Kopf ist etwas, was man nicht so häufig findet", sagte der Gerichtsmediziner weiter. Am Hals der Rentnerin diagnostizierte der Gutachter außerdem "Male, die auf eine länger dauernde oder wiederholte Strangulation hinweisen". Der Todeskampf der Rentnerin dauerte nach Einschätzung des Rechtsmediziners bis zu zehn Minuten.

Wie die Staatsanwaltschaft die Tat schildert

Staatsanwalt Florian Schweyer forderte nicht nur eine lebenslange Freiheitsstrafe für Arvid K. - er stellte eine besondere Schwere der Schuld fest. Der Angeklagte, habe, um die PIN der EC-Karte zu erpressen, sein Opfer grausam gefoltert. Der Staatsanwalt ging davon aus, dass der Angeklagte die Rentnerin mit Tritten, Faustschlägen, einem Messerschnitt quer über das Gesicht und durch Würgen zur Herausgabe der PIN zwingen wollte, ohne sie zunächst zu töten: "Anders machen die stumpfe Gewalt und die Strangulationsmerkmale keinen Sinn."

Anschließend habe Arvid K. sein Opfer mit zahlreichen Messerstichen umgebracht. Den Mord habe der Angeklagte deshalb begehen müssen, um eine vorzeitige Sperrung des Bankkontos der Rentnerin zu verhindern. Zudem sei sich Arvid K. bewusst gewesen, unter offener Bewährung zu handeln und folglich eine Gefängnisstrafe zu riskieren, wenn er die Rentnerin nicht töten würde.

"Ich muss damit leben, dass die Frau tot ist"

Demgegenüber betonte Verteidiger Michael Pösl in seinem Plädoyer, dass sein Mandant die Rentnerin im Affekt getötet habe. Er räumte ein, dass es sich "offensichtlich" um eine "brutale Tat" gehandelt habe, die zu einem "schrecklichen Tod" geführt habe. Er beleuchtete die Tatmotive, besonders die "aufrichtige Liebe" zur Ex-Verlobten, die er mit dem erbeuteten Geld aus dem Gefängnis freikaufen wollte. "Es war keine Grausamkeit. Es war die Tatbegehung eines überforderten Täters, der mit dem Rücken zur Wand stand", sagte er. Ein psychiatrisches Gutachten schloss diese Interpretation zumindest nicht aus.

Der Angeklagte hatte das letzte Wort: "Ich muss damit leben, dass die Frau tot ist, und mein ungeborenes Kind auch. Mir ist scheißegal, was ich für eine Strafe bekomme. Höchststrafe und fertig." An diesem Freitag wird das Urteil am Landgericht München II gesprochen. Sollte eine besondere Schwere der Schuld festgestellt werden, muss Arvid K. für mindestens 23 Jahre ins Gefängnis.

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