Mitten in Karlsfeld:Retter in der Not

Schön, das es so etwas noch gibt: Ein Busfahrer und sein Fahrdienstleiter von den Stadtwerken Dachau helfen einem elfjährigen Jungen, der sich in den falschen Bus verirrt hat, nach Hause

Kolumne von Christiane Bracht

Ein kleiner Junge, elf Jahre alt, sitzt in sich zusammengekauert im Bus. Den meisten dürfte das Kind nicht aufgefallen sein. Doch der Busfahrer sieht den Bub. Als er durch Karlsfeld fährt, bemerkt er, dass der Junge weint. Bei der nächsten Station am Hallenbad, geht er auf den Kleinen zu, fragt, was ihn bedrückt. Der Junge schluchzt, reagiert sehr verängstigt. Doch er sagt nichts. Der Mann nimmt ihn mit sich nach vorne zum Fahrersitz, gibt ihm zu verstehen, dass er hier bleiben soll. Er ruft den Fahrdienstleiter an, erzählt von dem Jungen und setzt seine Route fort. Als er zur Kirche Sankt Anna kommt, nimmt der Chef den Kleinen in Empfang. Auch er hat Schwierigkeiten, dem Kind ein Wort zu entlocken. Mehr als "710" ist aus dem Kleinen nicht herauszubekommen. Es wird klar, der Junge kann kein Deutsch. Außerdem saß er im falschen Bus - im 701er. Der Fahrdienstleiter ruft die Polizei zu Hilfe. Man überlegt gemeinsam, wie man die Eltern des Jungen finden kann. Schließlich kommt der 56-jährige Fahrdienstleiter von Busverkehr Südbayern auf die Idee, einfach die Route des 710er-Busses abzufahren und zu schauen, wann dem Buben etwas bekannt vorkommt. Und so lädt der Mann das verängstigte Kind in sein Auto und fährt los, die Polizei hinterher. Die Eskorte ist eine Weile unterwegs: Erst in der Rothschwaige, an der Haltestelle Reschenbachstraße bekommt der Junge große Augen. In einer Seitenstraße entdeckt er seine beiden Geschwister, die ihm sofort um den Hals fallen. Er strahlt. Der Fahrdienstleiter verabschiedet sich.

"Jeden Tag eine gute Tat", sagt er. "Das war doch selbverständlich." Für ihn ist es unbegreiflich, weshalb plötzlich die Zeitungen bei ihm Schlange stehen und diese Geschichte hören wollen. Ein Foto auch noch? Das kommt gar nicht in Frage, sagt er. "Wenn einer älteren Dame die Schlüssel herunterfallen, hebe ich sie auf, wenn jemandem schlecht wird oder ich einen Verletzten sehe, rufe ich den Notarzt. Das ist doch ganz normal." Jeden Tag passieren diese Dinge, das gehöre zu seinem Beruf, sagt 56-Jährige. "Tun kann man immer was." Gut, dass er mit seinem Auto jemanden nach Hause fährt, das war Premiere, gibt er zu. "Wir sind ja kein Taxiunternehmen."

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