Mitten in Karlsfeld:Broschüren statt Brezn

Die Gemeinde möchte seine Neubürger willkommen heißen: mit einem Infotag für alle

Von Gregor Schiegl

Es gibt einen wunderbaren Song der Doors von 1967, "People are strange" heißt er. Es ist eine ganz und gar unhippiemäßige Klagehymne auf Außenseitertum und Entfremdung. "Die Leute sind fremd, wenn du ein Fremder bist", heißt es darin (auf Englisch natürlich). Dem Unerwünschten erscheinen die Fremden bösartig, dem Betrübten die Straßen holprig. In Karlsfeld erscheinen sie allerdings jedem holprig, vermutlich, weil die Gemeinde kein Geld hat, sie zu flicken, aber auch, weil der Karlsfelder im Grunde seines Herzens immer Fremder und Neuankömmling war. Kolonisten schälten die Gemeinde vor mehr als 200 Jahren aus dem Moor, Kriegsflüchtlinge bauten sie auf, Gastarbeiter brachten ihr Wohlstand.

Derzeit sind es wohlhabende junge Familien, vor allem aus dem Münchner Stadtgebiet, die es an Karlsfelds krumme Straßen zieht. Das Bündnis für Karlsfeld hat nun vorgeschlagen, einen Neubürgerempfang einzurichten. Andere Gemeinden machen es vor, Markt Indersdorf zum Beispiel. Wäre Jim Morrison, er ruhe in Frieden, seinerzeit auf einen Neubürgerempfang eingeladen worden, hätte er wahrscheinlich ein flottes Liedchen geschrieben "People are nice", und einen Text, in dem es sinngemäß heißt, dass einen auch das tiefste Schlagloch nicht erschüttern kann, wo man sich willkommen fühlt. Dass Bürgermeister Stefan Kolbe von der charmanten Idee nicht sofort hin und weg war, hatte natürlich wieder einmal mit dem Geld zu tun, bei dem die Freundschaft bekanntlich schnell ihre Grenzen findet. Im Jahr 2013 zogen 1799 Neubürger nach Karlsfeld, war von der Verwaltung zu erfahren, im vergangenen Jahr waren es sogar 1955. Wenn man da für jeden nur ein Gläschen Sekt, ein Häppchen und bisschen Knabberkram hinstellen würde - so viel Gastfreundschaft muss man sich erst mal leisten können.

SPD-Gemeinderätin Venera Sansone schlug vor, statt eines glamourösen Empfangs doch lieber einen Infotag für Neubürger einzurichten: Broschüren statt Brezn, Schützenverein statt Schampus. Warum nicht gleich ein Infotag für alle, fragte ihre CSU-Kollegin Ursula Weber begeistert. Man begreift, woher der Vorschlag rührt: Irgendwie sind ja alle Karlsfelder Neubürger. Jim Morrison wäre trotzdem nie einer Einladung gefolgt. Echte Künstler ziehen die erhabene Ausgegrenztheit vor. Im Mai will man sich des Themas noch einmal annehmen.

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