Mitten in Karlsfeld:Betonieren is so schee

Mitten in Karlsfeld: Noch eine Betonmauer für die Karlsfelder Ortsmitte. Das bunteste daran ist die Absperrung davor.

Noch eine Betonmauer für die Karlsfelder Ortsmitte. Das bunteste daran ist die Absperrung davor.

(Foto: Privat)

Die Karlsfelder sind eine glückliche Vielvölkergemeinde mit Vorliebe für Trachtenvereine und Blasmusik. Doch etwas stört die Harmonie im Ort

Von Gregor Schiegl

Bayern ist schön. Deswegen haben sich die Bajuwaren auch nie an den bei Germanen so beliebten Völkerwanderungen beteiligt; sie sind auf ihrem Hosenboden sitzen geblieben, haben in den weißblauen Himmel geblickt und geseufzt: Mei, is des schee! Nichtsdestotrotz ist der Bayer ein Mischwesen, erschaffen aus unterschiedlichsten Völkerschaften bis tief in den Orient. Die Angst vor "Überfremdung" war aber auch den Urbayern nicht fremd. In einer Pergamenthandschrift notierte ein Mönch um das Jahr 800: "Stulti sunt Romani, sapientes sunt Paioari." Heißt: Deppert sans, die Römer, die Baiern san gscheit. An den Rand seiner Polemik gegen die Romanisierung des Bayernlandes notierte der katholische Rechtspopulist: "Mir san mir". Ein Claim, den bekanntlich der FC Bayern abgestaubt hat.

Mancherorts sieht man schön, wie sich der Veredelungsprozess des Bayern heute noch fortsetzt. Südlich von Dachau knetete der liebe Gott aus Sudetendeutschen, Nordlichtern, Griechen und Italienern sowie geringen Spurenanteilen von Bayern den Karlsfelder, der nichtsdestotrotz mehr Bayer geworden ist als irgendwas sonst. Und es kommen immer neue Menschen dazu und werden neu mit eingerührt, zu Tausenden. Sogar Münchner! Im Grunde ist die friedliche Vielvölkergemeinde mit Vorliebe für Trachtenvereine und Blasmusik der empirische Gegenbeweis zu den Untergangsszenarien der Pegidisten. Wenn etwas die Karlsfelder bedroht, dann sind es die Dachauer, Indersdorfer und Petershausener, die jeden Tag zu Zehntausenden mit dem Auto den Ort mit Stickstoffdioxid und Feinstaub verpesten.

Was nicht heißt, dass in Karlsfeld alles zusammenpassen würde und die Vielfalt immer harmoniert: Die denkmalgeschützte Ludl-Kapelle steht neben einem Schnellimbiss, dafür liegen Rathaus und Bürgerhaus fast einen halben Kilometer voneinander entfernt. Wer von der S-Bahn dorthinlaufen will, muss eine halbe Stunde Fußmarsch in Kauf nehmen - oder den Bus, weil man den S-Bahnhof an einen Kartoffelacker gebaut hat. An der Baustelle der neuen Ortsmitte hängt jetzt auch noch ein Transparent mit dem Slogan: "Mehr Vielfalt in Karlsfeld." Der besorgte Bürger fragt sich, wie viele klotzige Fremdkörper ins Karlsfelder Ortsbild noch integriert werden können. Droht die Betonisierung des Abendlandes?

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