Mitten in der Region:Der zertifizierte Nikolaus

Eine Glosse, die den Glauben erschüttern kann

Von GERHARD WILHELM

Franz Beckenbauer würde natürlich sofort ein Spruch einfallen: "Ja, ist denn heut scho Weihnachten?" Aber ehe es darum geht, warum der Kaiser dies sagen würde, eine Bitte an alle Eltern mit Kindern, die noch an so was wie das Christkind oder den Nikolaus glauben: Verbergt diese Zeitung vor ihnen! Denn ihr Glaube könnte dramatisch erschüttert werden.

Es geht um nichts geringeres als um die Demontage des Nikolaus' als Institution - zumindest bis zu einem gewissen Alter. Das dürfte aber dank der Kommerzialisierung und Medienvielfalt eh schon bei drei Jahren liegen. Und da können - trotz vielfältiger Bemühungen mancher Eltern, ihren Sprössling schon frühzeitig auf den Wettbewerb vorzubereiten - noch nicht so viele Kinder lesen. Also gebt ihnen ruhig die Zeitung.

Also der Nikolaus, der Mann mit der roten Kutte und dem weißen Rauschebart ist - ja, was eigentlich? Jedenfalls nicht Papa oder Opa. Er steht für eine höhere Macht, an die man sich mit einem Wunschzettel wenden kann. Der Weihnachtsmann, alias Nikolaus, betreibt dafür bekanntlich am Nordpol eine eigene Fabrik für Spielzeuge, wo ihm Elfen zur Hand gehen. Ausgeliefert wird mit einem Schlitten, der von bis zu zwölf Rentieren gezogen wird, weltweit im Over-Night-Expressdienst.

Und jetzt die bittere Wahrheit: Der Nikolaus ist nichts anderes als ein Lohnarbeiter, der einen Job ausübt, für den es jetzt sogar ganz in der Nähe von Dachau eine Nikolaus-Schule gibt: im Kardinal-Döpfner-Haus auf dem Freisinger Domberg. Zwei Referenten wollen - gegen Gebühr - die Teilnehmer zu wahren Nikolaus-Experten ausbilden. Benötigte Talente und Kleidung sind Themen des Kurses, an dessen Ende die "Nikoläuse" mit einem persönlichen Zertifikat belohnt werden.

"Wie kein anderer steht der Heilige Nikolaus in der Vorweihnachtszeit für selbstloses Schenken, mitmenschliche Fürsorge und faires Miteinander. Davon zeugen die vielen Legenden, die sich um den Bischof aus Kleinasien ranken und die während der Schule auch vermittelt werden", schreibt der Referent. Eine löbliche Aussage, und deshalb verwundert es nicht, dass die Schulung im Bildungszentrum der Erzdiözese München und Freising stattfindet. Besonders in der katholischen Kirche gibt es seit ein paar Jahren Bündnisse, die den Heiligen Nikolaus wieder als Identifikationsfigur der Gesellschaft etablieren wollen. Dummerweise bringt der Anblick von mehreren Nikoläusen Eltern eher in Erklärungsnot - und außerdem müsste der Vatikan schon seine Schatztruhe weit öffnen, um gegen das Werbebudget von Walt Disney und Coca Cola anzukommen.

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