Mitten in Dachau:Verzweigte Bürokratie

Nicht nur beim Ausbau von Straßen müssen Anwohner mitzahlen. Auch fürs Bäumepflanzen gibt es eine Satzung. Die Dachauer Stadträte sind von dem ganzen Aufwand zunehmend genervt

Kolumne von Viktoria Großmann

Zu den Freuden und gleichzeitig Leiden des Lokalpolitikers gehört es, dass er seine Wähler kennt. Das kann praktisch sein, aber auch sehr unangenehm, wenn es um Geld geht, zum Beispiel. Da sitzen Leute in Parlamentsgebäuden im ganz fernen Berlin und im nicht so fernen, aber auch großen München und überlegen sich, wofür der Bürger und Wähler im Leben zahlen muss. Etwa für Straßen, die nur oder in erster Linie dem Anwohner nutzen. Dafür erdenken sich diese fernen Menschen in fernen Häusern eine Pflicht zur Straßenausbaubeitragssatzung. Nicht selten geht es um Tausende und mehrere Zehntausende Euro - pro Haushalt.

Überbringer dieser Hiobsbotschaft ist nicht der ferne Mensch im Landtag. Es ist der Stadtrat und Bürgermeister von nebenan. Manche Gemeinderäte tun sich so schwer damit, das ihren Nachbarn, Tennispartnern, Kegelbrüdern, Schwiegereltern und den Lehrerinnen ihrer Kinder beizubringen, dass sie alles versuchen, um die vermaledeite Straßenausbaubeitragssatzung zu umgehen und Beschlüsse fassen, nach denen die Gemeinde selbst zahlen muss. Erdweg hat über Kniffe für seinen Ortsteil Langengern nachgedacht, Bergkirchen schreibt sich eine laxe Satzung, Odelzhausen wollte überhaupt vermeiden, sich eine der vorgeschriebenen Satzungen zu geben. Karlsfeld hat Jahre lang lieber gar keine Straßen ausgebaut als Anwohner zahlen zu lassen. Das geht aber nur so lange gut, wie keiner aus diesen fernen, großen Städten sich die Ausgaben der Kommunen anguckt. Schließlich muss nicht nur gesetzestreu, sondern auch möglichst sparsam mit Steuergeldern umgegangen werden.

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann musste kürzlich die Stadträte davon unterrichten, dass so eine Satzung nicht nur Straßenbeläge regelt, sondern auch den Baumbestand. Zahlen müssen die Anwohner dann zumindest, wenn der Baum ganz neu gepflanzt wird, nicht aber, wenn in eine Baumgruppe einer eingefügt wird. Was aber, wenn der neue eingesetzt und dann alle alten rundherum gefällt werden? Welches Grundstück ist für welchen Baum zuständig, und was ist gegebenenfalls ein Viertel oder auch das Achtel eines Baumes? Solche oder ähnliche Fragen wird das Rathaus versuchen zu beantworten. Vage ist die Hoffnung des jungen OB, dass die Satzung im fernen Landtag ganz und gar abgeschafft wird. Zumindest zur Debatte soll sie dort demnächst mal wieder stehen. So lange müssen die Anwohner in der Hermann-Stockmann-Straße leider noch warten auf ihre Bäume.

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