Mitten in Dachau:Unter Kaltblütern

Der Freistaat Bayern will auf der Grünen Woche einen Imagewechsel vollziehen. Petershausener Alpakas und Wackerls Gackerl wären dabei im Weg. Das Tier der Stunde ist ein anderes

Von Viktoria Großmann

Kaum ist die Weihnachtsvöllerei vorbei, trifft sich die politische oder sonstwie wichtige Welt zum Bio-Smoothie auf der Grünen Woche in Berlin. Dort käsen von diesem Freitag an die Großkopferten an Wurstständen, kraulen Kühe, versprechen gerechte Milchpreise, beißen in grüne Äpfel, verbreiten unreife Ideen und jonglieren mit Aussagen zu Tierwohl und besserem Verbraucherschutz wie mit rohen Eiern. Davon abgesehen ist die Grüne Woche eine sehr ehrliche Messe, denn wo, wenn nicht auf dem Teller zeigt sich der wahre Charakter eines Menschen?

Der typische Dachauer zwitschert gern einen Haselnussschnaps zum "vor Ort gerösteten Kaffee". Dazwischen ernährt er sich vom Bier der "kleinen und größeren Brauereien". Diesen Schluss lässt die Beschreibung des Messestandes des Landkreises zu. Zur Verstärkung fährt außer der Delegation aus dem Landratsamt noch der Verein Dachau Agil mit nach Berlin, der die Schönheiten zwischen "Golfplätzen und Kunstangeboten" bewerben will und der Berglbauer aus Kreuzholzhausen.

Wenn man ehrlich ist: Da fehlen natürlich noch die Gackerl vom Wackerl, die Schweine aus Puch und die Alpakas aus Petershausen. Vielleicht dürfen die aber nicht mit, denn sie würden allesamt mit ihrer Niedlichkeit und Drolligkeit den "kaltblütigen" Eindruck zerstören, den der Freistaat Bayern laut einer Pressemitteilung gelegentlich der Grünen Woche in Berlin zu hinterlassen gedenkt. Offenbar ist irgendwem in der Staatskanzlei eingefallen, im Jahr der Bundestagswahl das Image der Bayern und ihrer politischen Spitze ändern zu wollen. Merkwürdigerweise werden ja immer wieder die wohl überlegten und klar zur Sprache gebrachten Ansichten und Strategien der Bayern in Berlin als Poltern und Granteln missverstanden. Obwohl sie oft genug von seriösen Bildern aus Bierzelten unterlegt werden. Aber nun greift das Landwirtschaftsministerium an und schickt Kaltblutpferde zur Grünen Woche. Brauereigäule vermutlich. Kaltschnäuzig werden die selbstbewussten Tiere an den Pferdefleischlasagne-Gate vor vier Jahren erinnern. Die CSU wird kühlen Kopfes eine strikte Obergrenze von 28 Pferden einhalten: Mehr kaltes Blut verträgt die Hauptstadt nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: