Mitten in Dachau:Städtchen mit Herzchen

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Es ist schwer, eigentlich unmöglich, Großstädter von den Vorteilen der Kleinstädte zu überzeugen. Dachau löst jetzt zumindest bei Fahrradfahrern etwas Neid aus

Von Viktoria Großmann

Als Großstädter findet man an Kleinstädten grundsätzlich gar nichts gut. Die Busse fahren bis 22 Uhr und das soll lang sein. Häuschen mit mehr als drei Stockwerken werden als Hochhäuser empfunden. Fährt ein Auto nach acht Uhr noch mit 50 km/h über die Straßen, ist das schon Lärm.

Die Straßen sind kurz, die Wege auch. Kleinstädte sind eben einfach keine Großstädte. Nun hat aber diese Kleinstadt Dachau plötzlich etwas zu bieten, das im Großstädter blanke Bewunderung und mehr als eine Spur Neid auslöst. Es wächst rasant, wird jeden Tag schöner und steht direkt am Bahnhof: Ein Fahrradparkhaus. Jeder Münchner, der umweltproblembewusst morgens lieber mit dem Fahrrad zum Hauptbahnhof kurvt, als sich zusätzlich zur unpünktlichen S-Bahn noch über eine verspätete U-Bahn zu ärgern, weiß, dass der längere Teil der Reise dafür drauf geht, einen Stellplatz zu finden. Es bilden sich manchmal regelrecht Warteschlangen. Hat man einen Stellplatz aufgetan, fühlt es sich trotzdem an, als würde man das geliebte Fahrzeug auf einem Schrottplatz anketten. Ein vergleichender Blick auf die Nachbar-Räder zeigt: Auch andere Fahrer nutzen für die Fahrt zum Bahnhof nicht das neueste und schickste Modell. Jeden Abend fehlt etwas: ein Bremshebel. Ein Draht. Der Korb sowieso. Gar das Vorderlicht.

Die Dachauer hingegen können bald ihre neuesten Premiumräder ins überdachte Premiumradlhaus stellen. Wahrscheinlich wird genug Platz sein, so dass sich die Räder nicht ineinander verhaken. Sie werden nicht nass, sie werden weniger dreckig. Was könnte man sich alles erhoffen! Und alle Nörgler, die immer noch finden, dass ein Autoparkhaus besser gewesen wäre, zählen bitte selber durch, wie viele Fahrräder am Bahnhof stehen und wie viele Autos. Jetzt müssen nur die Straßen in Dachau für Radler noch genauso sicher und geräumig werden. Das Radlhaus ist natürlich nicht total billig. Die Stadt gibt 2,8 Millionen Euro aus. Bekommt davon aber etwa ein Drittel über Fördergelder wieder zurück. Das eigentlich Vorbildliche ist: Die Stadt ist nicht unbedingt zuständig. So schiebt die Landeshauptstadt München die Verantwortung für den Radlschrotthaufen an ihrem internationalen Hauptbahnhof gern auf die Bahn ab. In Dachau hat man keine Lust, ständig auf die Bahn zu warten und macht auch mal was selber. Zum Wohle der Bürger, zumindest der auf zwei Rädern. Ein Kleinstädtchen bleibt Dachau trotzdem.

Aber mit Herzchen.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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