Mitten in Dachau:Rowdys auf zwei Rädern

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Aufs Sozialverhalten hat Radeln offenbar keine positive Auswirkungen. Und an die Verkehrsregeln halten sich viele auch nicht: Die Polizei erteilte 40 Verwarnungen

Von Helmut Zeller

Die umweltbewussten, ach so fortschrittlichen Radler können schon mal zur Plage werden - jetzt ist dieser Eindruck, der sich einem etwa auf dem Gehweg der Bahnhofsstraße radklingelschrillend aufdrängt, amtlich bestätigt worden. Die Dachauer Polizei kontrollierte mit Unterstützung von Beamten der Bereitschaftspolizei - das sind die für besonders schwere Fälle wie die Chaoten beim G 20-Gipfel in Hamburg oder eben die Zweiradhalbstarken in Dachau - an "besonders neuralgischen Punkten". Die Fahndung galt den "Gehwegradlern" und "Geisterradlern". Niederschmetterndes Ergebnis: An einem einzigen Nachmittag stoppten die Beamten 40 Radfahrer und sprachen Verwarnungen aus - und das nur in einem winzigen Ausschnitt der schönen Großen Kreisstadt, in der Münchner Straße, der Bahnhofstraße und an der Einmündung der Friedenstraße in die Schleißheimer Straße. Ganz Dachau guckt auf die illegalen Autorennen - jetzt ist aber mal ein Umgucken nötig, auch im Stadtrat, der sich bisher mit Ausnahme der Autobahnfraktionen vehement für die Ausbreitung der Radfahrerspezies einsetzt. Klar: Radfahren schont die Umwelt, wer in die Pedale tritt, kämpft gegen Verkehrslärm und Klimawandel, weshalb ein US-Präsident Trump auch nicht Rad fährt. Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) dagegen radelt - auch dienstlich - viel. Es ist ja auch sehr gesund - nur nicht für die Spaziergänger, die Slalom springen müssen, um ihre Füße gerade noch unter den Radreifen wegzuziehen. Hartmann war übrigens nicht unter den Verwarnten. Auch FW-Stadtrat Sebastian Leiß nicht, der angeblich sein Radl mit einer Hand lenkt und mit der anderen frisch gereinigte Hemden an Kleiderbügeln in den Fahrtwind hält.

Leider hat die Polizei ihr Kontrollergebnis nicht analysiert. Man würde doch gerne wissen, wie viele Fleischfresser waren unter den Rad-Rowdys, wie viele Vegetarier und Veganer; wie steht es mit ihrem Religionsbekenntnis und ihrem Wahlverhalten? Gesichert ist nur: Radeln hat keine positive Auswirkung aufs Sozialverhalten. Viele verhalten sich rücksichtslos - und kopfleer. Heinrich von Kleist hat denn auch über "die allmähliche Verfertigung der Gedanken" beim Gehen, na ja, eigentlich beim Sprechen geschrieben. Aber das tun sie auch nicht. Wie auch, bei diesem Tempo gleitet die Welt wie im Fluge an ihnen vorbei.

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