Ängste sind natürlich und überlebenswichtig. Zum knurrenden Dobermann bleibt man lieber auf Abstand und den funkensprühenden Toaster steckt man besser erst einmal aus, bevor man ihn mit Hammer und Schraubenzieher zerlegt. 220 Volt verträgt nicht jeder gleich gut. Nun gibt es aber auch Leute, die recht seltsame Ängste plagen - vor Clowns, vor den Inhaltsstoffen von Bärchenwurst oder den Reptiloiden. Man kann sich auch vor Kindern auf Fahrrädern fürchten, und dazu muss man nicht einmal ein Mensch sein, wie ein Zwischenfall an der Amperbrücke bei Mitterndorf jüngst vor Augen führte.
Dort waren zwei Frauen mit einem Pferd und zwei Eseln unterwegs. Gerade als sie sich anschickten, die Brücke zu überqueren, kam ein Kind mit seinem Fahrrad vorbeigesaust. Der kleinere der Esel, Leopold genannt, noch sehr jung und offenbar auch recht sensibel, erschreckte sich fürchterlich und mochte keinen Huf mehr auf die Brücke setzen. Da half alles gute Zureden nichts. Leopold schaltete auf Durchzug, stellte sich an den Wegesrand, zupfte Sauerampfer, ließ sich von den des Weges kommenden Fußgängern herzen und streicheln. Für Leopold war die Welt wieder im Lot.
Nur nicht für die beiden Frauen; die mussten die Tiere ja irgendwie nach Hause schaffen. Umgehend forderten sie Verstärkung an. Die kam dann auch. Einer zog den störrischen Burschen, zwei schoben an. So gelang es tatsächlich, Leopold langsam über die Brücke zu bewegen. Doch als er fast drüben war, brauste ein schwarzer SUV vorbei - und schon war's geschehen: Leopold legte einen panischen Rückwärtsgang ein. Man stemmte sich gegen den Eselshintern und sprach dem anderen Ende sanft zu. Und man zog. Als der ängstliche Vierbeiner es doch geschafft hatte und die letzten Schritte über die Brücke tat und endlich drüben, brach Jubel aus. Leopold indes schritt erhobenen Haupts von dannen wie ein Schlachtross. Er hatte sich seiner Angst gestellt. Und gesiegt.