Mitten in Dachau:Individuelle Hilfe, pauschale Urteile

Vielen Menschen geht das Schicksal des in Dachau lebenden Ahmet Shala, der vor dem IS geflohen ist, nahe. Sie wollen helfen. Die Politik aber hat nur Abschiebung und blinde Bürokratie anzubieten

Von Helmut Zeller

Mit einer Welle der Hilfsbereitschaft reagieren Landkreisbürger auf die Flüchtlingsnot. In allen Gemeinden, in denen Asylbewerber untergebracht sind, bilden sich Helferkreise. In Karlsfeld machen gleich 143 Gemeindebewohner mit - nicht nur München leuchtet. Auch das Schicksal des Kosovaren Ahmet Shala (Namen geändert) und seiner Familie geht den Bürgern ans Herz. Der 44-Jährige wurde im Kosovo von IS-Anwerbern bedroht: Wenn er mit der Terror-Organisation nicht in Syrien kämpft, werden sie seinen 16-jährigen Sohn Afrim verschleppen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge glaubt ihm nicht und ordnete die Abschiebung an. Viele Anrufer meldeten sich bei der SZ und alle fragen, wie man dieser Familie, die im Flüchtlingslager in der Kufsteiner Straße untergebracht ist, helfen könnte.

Die Rechtslage ist verzwickt: Asyl kann nur dem gewährt werden, der politisch verfolgt ist. Aber, so fragt ein SZ-Leser, ist denn die Bedrohung durch den IS kein hinreichender Grund? Aber die Behörden sehen Kosovo als einen sicheren Drittstaat an. Experten zeichnen jedoch ein ganz anderes Bild von dem Land, das 16 Jahre nach dem Balkankrieg, der auch unter deutscher Beteiligung ausgetragen wurde, wirtschaftlich am Boden und zerrissen ist. Den Versprechen der rot-grünen Regierung unter Kanzler Schröder für den Aufbau des Landes folgten so gut wie keine Taten. Das wird vergessen. So wie man nicht sehen will, dass Kosovo zur Drehscheibe des IS in Europa wird.

Die Dachauer Stadträtin Luise Krispenz (Grüne) lässt der Fall Shala nicht unbewegt. "Das geht gar nicht", sagte sie der SZ. Schon die Gefahr einer Verfolgung durch den IS sei doch ein ausreichender Grund, um zu helfen. Die Politik der bayerischen Staatsregierung rückt die Flüchtlinge vom Westbalkan jedoch in die Nähe des "Asylmissbrauchs". Das ist kompletter Unsinn: Jedermann kann einen Antrag auf Asyl stellen - das ist ein Menschenrecht. Davon scheint Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) jedoch nichts zu wissen. Im Abschiebezentrum für Westbalkanflüchtlinge in Manching sagte sie zu einem Asylbewerber: "Sie wissen aber, dass Sie zurück müssen." Woher weiß sie das, bevor noch eine Prüfung durchs Bundesamt stattfindet? Die CSU drängt pauschal auf eine rasche Abschiebung der Westbalkanflüchtlinge, eine wirkliche Einzelfallprüfung, wie vom Asylgesetz vorgesehen, findet nicht statt.

Ahmet Shala hat nun seinen Sohn Afrim über die drohende Abschiebung informiert. Der 16-Jährige sagte nicht viel, aber sein Magen reagierte. Er musste wegen großer Schmerzen ins Krankenhaus.

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