Mitten in Dachau:Der Polizist als Schäfer

Schafe hüten ist auch nicht entspannter als Verbrecher jagen, wie nun die Polizei Dachau feststellen musste

Von Christiane Bracht

Hier noch schnell was besorgen, da ein Telefonat, dann ein Gespräch mit dem Kunden, langwierige Verhandlungen, die viel zu lang dauern, eigentlich hätte man längst Essen kochen müssen, die Kinder abholen. Ach, und dann der Haushalt, der Chef erwartet auch noch einen Bericht. Wie soll man das nur alles schaffen? Das Leben ist einfach ein einziger Stress. Morgens fängt der Tag viel zu früh an, abends endet er meist zu spät. Zeit zum Träumen oder einfach Auspendeln bleibt da nicht. Kein Wunder, dass sich viele Leute wünschen, Schäfer zu sein. Man steht da in aller Seelenruhe, gestützt auf seinen Stab, weit ab von Verkehr und Hektik, schaut gedankenversunken auf die großen und kleineren Wollknäuel, die genüsslich ein paar Grashalme rupfen und ab und zu mähen. Ach, ein wahrer Traum! So viel Zeit und so viel Ruhe ...

Für ein paar Polizisten in Dachau ist dieser Traum jetzt wahr geworden. Statt Verbrecher zu jagen, Verkehrssünder zur Räson zu bringen oder Streit zu schlichten, durften sie am Dienstagmorgen Schafe hüten. Vielleicht ist Polizist ja gar kein so schlechter Beruf? Gegen zwei Uhr morgens entdeckte eine Streife auf der Gröbenrieder Straße in Dachau zehn Schafe auf der Fahrbahn. Sie trotteten langsam Richtung Sportplatz. Einen Schäfer fanden die Beamten jedoch nicht, auch keinen Hinweis auf den Besitzer der Tiere. Als sie ihre Suche aufgaben, liefen die Schafe bereits ihre ersten Runden um die Tartanbahn des ASV Dachau. Leichtathletik mal ganz anders. Doch lange schauten die Polizisten dem Spektakel nicht zu. Sie machten sich Sorgen, die kleine Herde könnte wieder zurück auf die tagsüber doch recht befahrene Straße laufen. Also zimmerten sie aus Paletten ein provisorisches Gatter auf dem Fußballplatz und trieben die Tiere so gut es ging zusammen. Sie stellten sogar Wasser hin, damit die Schafe in der warmen Nacht nicht verdursten würden. Aber die Enge des Gatters gefiel den Schafen nicht, sie büxten immer wieder aus. Die Beamten hatten ihre liebe Not, die Tiere auf dem Fußballplatz zu halten. Gemütlich eindösen beim Schafezählen, so wie man es sich vorstellt - daran war in dieser Nacht jedenfalls nicht zu denken. Schäfer? Vielleicht ist es doch kein so erstrebenswerter Traumberuf.

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