Mitten in Dachau:Angriff in Schlabberhose

Mit dem Internationalen Jogginghosentag soll das Renommee des gemütlichen Textils wieder aufpoliert werden. Und das ist auch dringend nötig

Von Gregor Schiegl

Das ist wieder mal eine harte Woche für engagierte Leute gewesen: am Mittwoch zum Welttag des Schneemanns Schneekugeln gewälzt, abends Bärenbücher gelesen, denn gleichzeitig war Winnie-Puh-Tag. Am Donnerstag den amerikanischen Popcorn-Tag auf dem Sofa begangen und alles vollgekrümelt. Zum Ehrentag der Pinguine am Freitag einen albernen Frack angezogen und abends denselben in devoter Solidarität gegen ein zwickendes Latexkostüm eingetauscht, weil, äh, naja, auch noch internationaler Fetisch-Tag war. Wer dachte, schlimmer könnte es nicht mehr werden: An diesem Samstag finden der Befreie-die-Welt-von-Modediäten-und-Werbetricks-Tag, der Ehrentag der Hörnchen, der Weltknuddeltag und der Tag der Jogginghose statt.

All diese Tage haben natürlich irgendwie ihre Berechtigung, besonders aber der letztere: Die Jogginghose hat ein echtes Imageproblem. Einstmals assoziiert mit jugendlich federnder Sportlichkeit gilt sie heute nur mehr als Ausweis schluffigen Sich-gehen-Lassens. Die Schlabberbüx: prolliger Ganztagsschlafanzug, Mode-Legasthenie mit Doppelstreifen, soziales Distinktionsmerkmal der Unterschicht. "Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", behauptet Karl Lagerfeld. Liest man die Dachauer Polizeiberichte, könnte man das sogar für eine stichhaltige soziologische Analyse halten. Überfall auf ein Schnellrestaurant: Einer der Täter trägt Jogginghose. Jugendliche legen Feuer in Bankfiliale: wieder einer mit Jogginghose. Betrunkener versucht, in einen Dönerstand einzusteigen: Jogginghose. Mann demoliert Auto mit Hammer: Jogginghose. Raubüberfall auf Lebensmittelfiliale: Jogginghose.

Da kann man es der Architektin kaum verdenken, die einen Typen in Jogginghose, der ihre Personalien kontrollieren wollte, mit den Worten stehen ließ "Ich lass mich doch nicht verarschen!" Dumm nur, dass der Schlabberhosentyp ein Polizist war. Das Amtsgericht Dachau verknackte die Frau im vergangenen Jahr deshalb zu einer Geldstrafe von 8600 Euro. Die Jogginghose ist damit ein Stück weit rehabilitiert, aber eben nur ein Stück weit, bis zum Hosenbein vielleicht, und auch nur sehr lokal.

Zur Verbesserung des globalen Rufs soll man am Jogginghosentag nun tatsächlich mal etwas tun. Natürlich nicht gleich joggen, man muss es ja nicht übertreiben. Den Aktivisten reicht es, wenn man auf ihrer Internet-Seite das viel geschmähte Textil endlich mal lobt. Dafür kann man einen "unglaublich extravaganten Einhorn-Flaschenhalter" gewinnen. Wer nicht weiß, was er mit so einem blöden Tinnef anfangen soll: Am 1. November ist internationaler Einhorn-Tag.

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