Mitten in Dachau:Alle Menschen werden Brüder

Eine italienische Jugendgruppe tanzt und singt mitten in der Altstadt. Und erobert sofort die Herzen der Dachauer

Von Emily Holmes

Unter Völkerverständigung stellt man sich Willy Brandts Kniefall in Warschau vor, den Satz von US-Präsident John F. Kennedy "Ich bin ein Berliner" oder den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag. Aber Hare-Krishna-ähnliches Chanten und im Kreis Tanzen vor der Schranne? Genau das ist vor einigen Tagen geschehen, als eine italienische Jugendgruppe in der Dachauer Altstadt auf sich aufmerksam machte. Gut vorbereitet mit Lautsprecheranlage sangen und tanzten sie im Rhythmus von Trommeln und Rasseln.

Was wie eine hinduistische Sekte anmutete, waren junge Katholiken auf dem Weg nach Krakau in Polen. Dort findet gerade der Weltjugendtag statt. Etwa zwei Millionen Jugendliche aus aller Welt treffen dort zusammen, um ihren Glauben zu feiern. Völkerverständigung auf katholisch sozusagen. Auf dem Pfarrplatz haben sie dann auch gleich über ein Mikrofon die Altstadt und ihre Mitchristen wissen lassen, wie sie persönlich zum Glauben gefunden haben, bevor sie - die Musik klang weiter aus dem Lautsprecher - die Augsburgerstraße hinunterzogen. So schnell wie sie die Dachauer Altstadt aufmischten, waren sie also auch schon wieder fort. Im Jugendgästehaus hätten sie nicht übernachtet, heißt es auf Nachfrage.

Die Stadt weiß auch nicht so genau, was die Gruppe hier wollte. Ja, vielleicht waren sie in der KZ-Gedenkstätte, aber genaueres weiß auch die nicht. Es bleibt ein knapp eineinhalbminütiges Video auf der Facebook-Seite der Stadt Dachau, gefilmt von einer beeindruckten Passantin. 4100 Leute haben es schon angeschaut. Den Kommentaren und Likes ist zu entnehmen, dass es vor allem als eine Botschaft der Freude, Liebe und Hoffnung verstanden wird in diesen Tagen, die von Krieg, Terror, Amok und Angst überschattet werden. Italienische Jugendliche, die im Zentrum der geschichtsträchtigen Stadt Dachau auf dem Weg nach Polen einen freudvollen Tanz aufführen, das war vielleicht nicht als direkte Völkerverständigung gemeint. Es kam aber so an. Und es kam sehr gut an.

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