Mitten im Landkreis:Schweinsbraten statt Gänsefleisch

Die schnatternden Gänse verrieten Martin von Tours - und büßten in der Röhre. Ob der Heilige Martin heute auf Gänsebraten verzichten würde, darüber kann man nur spekulieren

Kolumne von Thomas Altvater

Wenn die Kinder im Landkreis an diesem Wochenende mit ihren Laternen wieder durch die Straßen ziehen, dann erinnern sie an einen Mann von Größe und Nächstenliebe: Die Rede ist von Martin von Tours, einem katholischen Bischof des 4. Jahrhunderts, besser bekannt als Sankt Martin. Eines Nachts traf der römische Soldat Martin, so die Überlieferung, einen Bettler vor den Stadttoren Amiens, einer Stadt in Nordfrankreich. Der Bettler fror fürchterlich. Also schnitt Martin, elegant und ohne vom Pferd abzusteigen, seinen Mantel in zwei Teile und gab einen davon dem Armen.

Daraufhin wollten ihn die Bürger der Stadt zum Bischof machen, allerdings gegen den Willen Martins. Er versteckte sich kurzerhand in einem Gänsestall, um der Ernennung zu entgehen. Doch die Gänse waren aufgeregt, stand doch der neue Bischof neben ihnen. Und so verrieten die Gänse Martin. Seitdem müssen das die Gänse büßen, denn der Gänsebraten wurde Teil des Brauchs am Martinstag.

Heutzutage stammt nur ein Bruchteil des Gänsefleischs aus Deutschland. Die meisten Gänse werden aus Polen und Ungarn importiert, wo die Tiere gestopft werden. Das ist in Deutschland zwar verboten, in den hiesigen Supermärkten wird das Fleisch aber trotzdem verkauft. Tierschützer kritisieren das vehement. Und manche Tierschützer wollen in Martin sogar einen Tierfreund und Vegetarier gesehen haben. Aber war er das wirklich? Vielleicht hätte der Heilige Martin das Stopfen der Gänse sogar unterstützt? Schließlich waren ja sie es, die ihn verrieten und in sein kirchliches Unheil gestoßen haben.

Doch was würde der Heilige Martin machen, würde er im 21. Jahrhundert leben? Gewiss ist, dass auch ein moderner Martin ein Mann von Größe und Nächstenliebe wäre. Ob er heute auf das Gänsefleisch verzichten würde, darüber kann man nur spekulieren. Vegane und vegatarische Alternativen zum Gänsebraten gibt es mit Sicherheit, das betonen auch die Tierschützer. Vielleicht würde ein Martin heute auch auf regionales und ökologisches Federvieh zurückgreifen. Oder er zeigt wirklich wahre Größe und vergibt den schnatternden Gänsen. Und isst lieber Schweinsbraten.

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