Mitten im Landkreis:Amtliche Fröhlichkeit

Das Glück wohnt nicht (nur) am Tegernsee oder in den Münchner Villenvierteln. Es wohnt mitten im Landkreis Dachau. Landrat und Gemeindebürgermeister tanzen es vor

Von Walter Gierlich

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer sind die Glücklichsten im ganzen Land? Wer auf die Reichen in Grünwald tippt oder auf die Villenbesitzer am Tegernsee, der liegt falsch. Voll daneben sogar. Die glücklichsten Menschen sind diejenigen, die im Landkreis Dachau leben oder arbeiten. Der Beleg für diese kühne Behauptung? Den gibt - anders als im Märchen von Schneewittchen - nicht ein Spieglein, sondern die Homepage des Landratsamts. "24 Hours Of Happy" lautet der etwas schräge Titel eines Videos, in dem "Landrat, Bürgermeister, Jugendliche, Bademeister, Verkäuferinnen und viele mehr" (so die Ankündigung auf der Internetseite) im Glück schwelgen.

Zum Sommerhit "Happy" von Pharell Williams aus dem Jahr 2014 singen und swingen zu Beginn anmutig junge Leute im Hofgarten, auf der Münchner Straße in Dachau oder vor dem Kloster Indersdorf. Dann ein erster Höhepunkt: Hinter der Skulptur vor dem Landratsamt kommen tanzend und fingerschnipsend Beschäftigte der Behörde ins Bild. Angeführt von Landrat Stefan Löwl, der dabei ein wenig an Balu erinnert, den Bären aus dem Dschungelbuch ("Versuch's mal mit Gemütlichkeit"). Fröhlichkeit amtlich sozusagen.

Verkäuferinnen in einer Bäckerei strahlen, als hätten sie soeben eine Gehaltserhöhung bekommen, bei der beschwingten Bedienung im Schlosscafé fürchtet man gar um das Geschirr auf ihrem Tablett. Dachaus OB Florian Hartmann und einige der Stadträte üben tapfer den Tänzelschritt aus dem Rathaus. Landkreisbürgermeister wackeln bei einer Versammlung rhythmisch auf ihren Stühlen herum wie Schüler, die auf die Pausenklingel warten. Nach gut vier Minuten meist eher angestrengt daherkommender Fröhlichkeit quer durch den Landkreis ist Schluss. Doch weil es ja selbst in der superglücklichsten Gegend auch Menschen gibt, die weniger happy sind - Langzeitarbeitslose etwa, arme Rentnerinnen, chronisch Kranke oder überlastete Pflegekräfte -, sollte die Kreisbehörde nicht auch für sie ein Video drehen? Vielleicht zum Bob-Dylan-Song "I am a man of constant sorrow" - ich bin ein Mensch in ständiger Sorge.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: