Mindestlohn:Gewerkschaft kritisiert Gastronomen

Mindestlohn: Mustafa Öz von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten kritisiert, dass die Angestellten für zu wenige Stunden bezahlt würden.

Mustafa Öz von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten kritisiert, dass die Angestellten für zu wenige Stunden bezahlt würden.

(Foto: oh)

Im Hotel- und Gaststättengewerbe wird nicht überall der gesetzliche Mindestlohn gezahlt. Das wurde bei Kontrollen durch den Zoll festgestellt. Der Dachauer Gaststättenverband weist solche Vorwürfe zurück

Von Christiane Bracht, Dachau

Trotz Einführung des gesetzlichen Mindestlohns werden noch immer viele Kellner, Küchenhilfen und Zimmermädchen um einen Teil ihres Lohns geprellt. Im vergangenen Jahr hat die Landshuter Zollbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich auch der Landkreis Dachau fällt, in ihrem Bereich 123 Hotels und Gaststätten überprüft. Gegen ein Drittel läuft nun ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz.

Das ist "alarmierend", findet der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in der Region München Mustafa Öz. "Es müsste viel mehr kontrolliert werden", fordert er. Die Arbeitgeber fühlten sich viel zu sicher, dass sie nicht erwischt werden. Die Kontrollen seien "ein Tropfen auf den heißen Stein". Denn allein im Landkreis Dachau gibt es 252 Gastbetriebe. Wenn gerade mal 123 im Zuständigkeitsbereich des Landshuter Zolls Besuch von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit bekämen, entspricht das lediglich vier Prozent. Hotelier Michael Groß wundert sich: "Man kriegt doch gar keinen mehr, wenn man weniger als den Mindestlohn zahlt", sagt der Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dachau.

"Jeder kämpft um Leute." Im Verband sei das immer wieder Thema. Die Zahlen seien ihm unbegreiflich. "Wir zahlen sogar mehr als den Mindestlohn", sagt der Bergkirchener. Öz dagegen wundern die vielen Verstöße gegen das Mindestlohngesetz keineswegs. Von Anfang an würde den Lehrlingen eingebläut, dass sie Dienstleister seien und dass sie den Gast zufrieden stellen müssen. "Ihnen wird klar gemacht: Wenn Arbeit da ist, bist Du da", sagt Öz. Die Arbeitszeit sei dagegen nicht so wichtig. Schon an den Berufsschulen erlebe man oft junge Leute, die total kaputt im Unterricht hingen, weil sie in der Nacht zuvor lange gearbeitet hätten.

Es passiere auch nicht selten, dass die Chefs die Lehrlinge um Mitternacht, wenn der letzte Gast gegangen ist, noch zu sich winken, um ihnen zu zeigen, wie man Kartoffelsalat macht, so Öz. "Es ist schon ein besonderer Umgang mit der Zeit in dieser Branche."

"Die Leute sind mündig", sagt dagegen Hotelier Groß. "Sie können die Stunden selbst aufschreiben." Für die Gastwirte und Hoteliers, die regelmäßig zu den Verbandstreffen in Dachau kommen, legt er sogar die Hand ins Feuer: "Das sind seriöse Wirtsleute." Aber das seien eben nur 30 bis 35. Insgesamt habe der Ortsverband Dachau 80 Mitglieder.

"Die Politik hat den Mindestlohn per Gesetz vorgeschrieben. Jetzt muss sie endlich dafür sorgen, dass er überall eingehalten wird", fordert Öz. Es dürfe keinesfalls der Eindruck entstehen, dass der Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro pro Stunde nur auf dem Papier gelte. Deshalb fordert er mehr Personal für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. "Bei der Einführung des Mindestlohns hatte die Bundesregierung 1600 zusätzliche Kontrolleure versprochen. Davon ist bislang weit und breit nichts zu sehen", klagt der Geschäftsführer der NGG Region München. Besonders bedenklich findet er, dass im Jahr 2015 noch fast doppelt so viele Gastrobetriebe Besuch vom Zoll hatten. Öz zweifelt an einem "ernsthaften Interesse des Ministeriums, mehr zu kontrollieren". Er fürchtet vielmehr, dass der "tägliche Gesetzesbruch legalisiert" werde. "Wenn wenig kontrolliert wird, blüht ein Schwarzmarkt mit der Arbeit und dem Staat entgehen Millionen", sagt Öz.

Insgesamt hat der Landshuter Zoll 68 Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen den gesetzlichen Mindestlohn eingeleitet und Bußgelder in Höhe von 559 000 Euro erhoben. Darunter sind 35 Gastronomie-Betriebe.

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