Mein Lieblingswerk:"Im Anschein der Harmlosigkeit"

Mein Lieblingswerk: Claudia Tauber vor der Drohnentapete.

Claudia Tauber vor der Drohnentapete.

(Foto: Toni Heigl)

Warum NAT-Vorstand Claudia Tauber von Albert Lohr in der KVD-Ausstellung beeindruckt ist

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Jetzt spricht die Expertin: Claudia Tauber hat als Vorstand von NAT mit Sicherheit mehr Ahnung von Digitalisierung und Steuerungstechnik als die meisten Künstler, die sich in der Ausstellung der Künstlervereinigung Dachau (KVD) zum Thema 1984 mit den Folgen moderner Technologien und Überwachung beschäftigten. Ihr Unternehmen entwickelt für die Industrie komplexe Anlagen, die beispielsweise für die Automatisierung von Produktionsprozessen notwendig sind. Dazu zählen auch ökologische Systeme, die tatsächlich das Prädikat Nachhaltigkeit verdienen. Wie also begegnet eine Frau der modernen Wirtschaft, die sich mit den positiven und kreativen Optionen heutiger Technologien befasst, den Metaphern und Allegorien von 30 Künstlern zur Bedrohung des Individuums?

Zunächst einmal ist Claudia Tauber fasziniert vom Gebäude selbst. Denn die KVD hat ihre alljährliche, zentrale Ausstellung aus dem Renaissancesaal des Schlosses in das ehemalige Verwaltungsgebäude von MD Papier am Rande der Dachauer Altstadt verlegt. Claudia Tauber, die als Mäzenin der Dachauer Kultur beispielsweise die internationalen Theatertage unterstützt, empfindet den Schlosssaal gerade wegen der Pracht der Renaissancedecke als "klassisch konservativen" Ausstellungsraum. Jetzt sagt sie: "Hier befinde ich mich in einer freiheitlichen Zone."

Die Vitalität und Lebendigkeit der Ausstellung beeindruckt sie. Bereits im ersten Raum verweilt sie länger auf der Suche nach ihrem Lieblingswerk. Klaus Herbrichs labyrinthische Konstruktion eines Innenraums als Sinnbild der bedrohlichen Seite der Vernetzung der Welt begleitet sie über die beiden Stockwerke hinweg. Immer wieder kommt sie auf ihn zurück. Allerdings gefällt ihr auch der Beitrag von Heiko Klohn, der in einer großformatigen Zeichnung eine Art Google-Stillleben geschaffen hat. Die filigrane und handwerkliche Technik des Zeichnens, "das Haptische", wie sie sagt, wertet sie als demonstrativen Gegensatz zu den zügigen prozessualen Ergebnissen, die durch die digitale Technik möglich werden.

Überhaupt findet Tauber schnell einen persönlichen Zugang zu der gesamten Ausstellung, in dem sich ihre Sorge über die Folgen der globalen Wirtschaft und der Möglichkeiten moderner Technologien ausdrückt. Für sie geht es in vielen Werken um "die Verknappung von Begegnung". Dagegen fordern Herbrich oder Klohn zu einem intensiven Blick auf. Und bei den persönlichen Bildbänden von Annekathrin Norrmann müsste man sich lange aufhalten, um ein eigenes Bild der Zeit seit 1984 zu entwickeln. Als Expertin der Vernetzung hätte auch der Kabelraum von Greta Louw gepasst. Aber mehr noch fühlt sich Claudia Tauber angezogen von Jette Hampes Raum, der aus grauen Wänden, moderndem Gras und einem Bild besteht, das aus zahlreichen kleinen, zerschnittenen neu zusammengesetzt ist. Dass die Natur die Chance auf Kreativität birgt, wird für sie an dem bedrückenden Gegenentwurf ("Die Bienen sind fort") deutlich.

Wahrscheinlich wäre Klaus Herbrichs Labyrinth ihr Lieblingswerk geworden, wenn sie nicht als letzten Raum den Beitrag von Albert Lohr betreten hätte. Er hat eine Tapete aus Drohnensilhouetten gestaltet. Sie kommt grafisch ansprechend daher. Lohr hat - vergleichbar mit Heiko Klohn - auf das Handwerk des Linolschnitts zurückgegriffen und auf die Option eines leichter erstellbaren digitalen Entwurfs verzichtet. Aber im zweiten Blick fühlt sich Claudia Tauber von der tatsächlichen Bedrohung überwältigt, die von dem wandhohen Gemälde ausgeht. Diese Ambivalenz ist ihrer Ansicht nach für die Welt der modernen Technologien zentral. Vor lauter Leichtigkeit und - zugegebenermaßen - auch Schönheit verbirgt sich "die Gefahr im Anschein der Harmlosigkeit".

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