Mein Lieblingswerk:Gefährliche Harmlosigkeit

KVD 1984

Auf den ersten Blick haben die Laserpunkte etwas heiteres, bei näherer Betrachtung wirken sie aggressiv.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Karin-Renate Oschmann vom Dachauer Wasserturm findet Gefallen an Christian Engelmanns Installation "Jagdsaison" in der KVD-Ausstellung "1984". Das Werk beschäftigt sich mit der Bedrohung des Individuums durch die moderne Vernetzung

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Karin-Renate Oschmann ist die Grande Dame der Dachauer Kunst- und Kulturszene. Ihrem Alter angemessen, verfügt sie zwar über einen Computer, dazu einer E-Mail-Adresse, aber das Surfen im Internet ist nicht ihres. Wenn dann ein Fotograf im Foyer der Schlossausstellung der Künstlervereinigung Dachau (KVD) davon erzählt, wie heutzutage Internetunternehmen das Recht auf das Bild über die On-Demand-Technik gefährden, steigt sie mental aus. "Muss ich nicht wissen, will ich nicht wissen." Die Ausstellung allerdings über die Folgen der Informatik gefällt ihr.

Die Gründe sind vielfältig: Karin-Renate Oschmann zählt zu dem täglich größer werdenden Kreis an Kunstfreunden in Stadt und Landkreis, die den Auszug der zeitgenössischen Kunst aus dem Schloss als wohltuend empfinden. Dabei müsste gerade sie Wert darauf legen, dass ihr Wasserturm, den sie als Bürgertreffpunkt mit kulturellem Anspruch leitet, oben auf dem Altstadtberg nicht verwaist. Aber die ständige vermeintliche Nobilitierung der Dachauer Kunst über den berühmten Renaissancesaal empfindet auch sie als ermüdend und wenig zukunftsweisend.

Dass es jetzt im ehemaligen Verwaltungsgebäude auf der MD-Industriebrache tönt und kracht, dass Videos laufen, technische, aufwendige Apparaturen herumstehen, Laser blitzen und die Schlossausstellung sich von der Begrenztheit einer Bilderschau löst, empfindet sie als wohltuend. Nach einem zweiten Rundgang in den 26 Räumen hält sie den Titel "1984" für richtig gewählt: "Die Ausstellung ist ein Blick zurück in die Zukunft."

Deswegen gefällt ihr die Arbeit des Bildhauers Klaus Herbrich, der im ersten Raum der gesamten Ausstellung ein Labyrinth aus Holzstäben geschaffen hat, in dem die Technologie der Vernetzung der Welt in eine klaustrophobische Dimension mündet. Herbrichs Installation wäre fast ihr Lieblingswerk geworden. Aber Christian Engelmanns "Jagdsaison" reicht ihrer Ansicht nach noch über Herbrichs Werk "Keine Chance" hinaus: In einem verdunkelten Raum kühlen Ventilatoren die Luft. Gleichzeitig jagen Laserstrahlen rote Punkte quer durch zwei Zimmer. Zuerst lacht Karin-Renate Oschmann noch und sagt: "Wie Glühwürmchen." So heiter und spielerisch kommt die Installation daher. Aber je länger sie sich dort aufhält, umso mehr verändert sich ihr Blickwinkel. Denn die Punkte haben etwas Aggressives. Wegen dieser Doppeldeutigkeit entscheidet sich Karin-Renate Oschmann für Christian Engelmann: " Es könnte also sein, dass die Harmlosigkeit der neuen Technologie das wirklich Gefährliche ist."

Die Ausstellung der KVD im MD-Verwaltungsgebäude ist bis einschließlich Freitag, 18. September, zu sehen. Sie endet mit einer Finissage um 19 Uhr, die Teil der Langen Nacht der Offenen Türen ist (19 bis 24 Uhr, www.dah-lange-nacht.de). Karin-Renate Oschmann organisiert das Ereignis jedes Jahr für alle Ateliers, Museen und Galerien in Dachau.

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