Markt Indersdorf:Wenn das Gute scheitert

Markt Indersdorf: Kämpft gegen das Establishment: Paula Röblitz.

Kämpft gegen das Establishment: Paula Röblitz.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Schülertheater des Gymnasiums Markt Indersdorf setzt ein aktuelles Thema grandios um

Von Julian Erbersdobler, Markt Indersdorf

Vier Jahre und 17 Tage hat er geschwiegen. Über die geheimen Informationen und Machenschaften, über Ethik und Moral. Er war ein Rädchen im System, ein Teil des Puzzles, das ein Mitarbeiter, G2010, eines fiktiven Software-Riesen jetzt zerstören will. Von innen. Ist er stark genug? Hat er eine Chance, sich gegen den übermächtigen Konzern aufzulehnen? Kann er die Welt besser machen?

Mit diesen Fragen setzt sich das Musiktheaterstück "Error - System failure. . . dort, in mir, in dir, um uns herum" in der Aula des Gymnasium Indersdorf beeindruckend auseinander. In Anlehnung an eine Umschreibung von Kafkas "Verwandlung" entstand es unter der Leitung von Roman Novak und Sabine Landzettel. Das Besondere: Lehrer und Schüler spielen und singen gemeinsam. Alle Texte, Lieder und Melodien sind selbst geschrieben, Roman Novak begleitet am Flügel.

Das Stück begeistert mit nachdenklichen Passagen über das Leben in einer Informationsgesellschaft und mit einem cleveren Bühnenbild. Auf den Stufen in der Aula, sonst sitzen hier die Zuschauer, spielen sich an diesem Abend die meisten Szenen ab. Die Treppenstufen werden zur Requisite, unterstreichen oder konterkarieren das Gesagte. In der Mitte stehen drei Tische, die senkrecht gekippt, als Leinwand herhalten. Man sieht das Gesicht eines blassen dunkelhaarigen Mädchens. Ihre Botschaften kommen auf Englisch und werden von Kommentatoren übersetzt, manchmal überlagern sich ihre Stimmen.

Oben rechts neben der Treppe steht ein Glaskasten. Dort trägt man Anzug und Kostüm, es geht immer nur um Zahlen. Das Büro des mächtigen Software-Konzerns als Glashaus - eine Botschaft für sich. Die Chefs, von Lehrern gespielt, werfen von hier aus mit Steinen. In einem Lied singen sie: "Wir schreiben auf, wir halten fest, protokollieren wortgerecht, erfüllen prompt unsere Pflicht ganz ohne Liebe und Einsicht." Sie bekriegen nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst, um nicht an Macht zu verlieren. Der Mitarbeiter G2010 weiß von den intriganten Machenschaften. Er hat lange mitgespielt. In einem System, das Informationen und Meldungen nach eigenem Ermessen filtert, umleitet und vernichtet. Ein globaler Spieler, der nur eines anstrebt: Wachstum.

G2010 wird von Theresa Lang und Paula Röblitz verkörpert. Sie trägt Lippenstift und Fliege. Ihr Kampf gegen das Establishment erinnert an einen realen Fall. An den amerikanischen Whistleblower Edward Snowden, der sein Leben lang auf der Flucht sein wird. Nicht nur deshalb ist das Thema so relevant. Vor allem an Schulen. Soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Mitteilungsdienste - sie sind ein Teil des Lebens, besonders bei Jugendlichen. Das Thema Freiheit spielt eine wichtige Rolle. G2010 kämpft mit sich. Lohnt es sich, für die eigene Freiheit zu kämpfen? Was passiert, wenn man verliert? G2010 wird angeklagt und muss sich vor dem Firmengericht verantworten. Die Selbstzweifel sind dem Mitarbeiter nicht nur ins Gesicht geschrieben, sie sitzen auch neben ihm auf der Treppe. Die innere Stimme (Hannah Bielefeld), Er/Sie (Anna Börner) und das Gewissen (Sophie Kraus) vermenschlichen die eigene Identität, die bröckelt. Greta (Alina Kruse), seine engste Kollegin, kann nichts mehr machen. Der Kampf ist verloren, das Gute gescheitert, die Theateraufführung dagegen eine Sensation. Nachdenklich und melancholisch, aber auch clever und unglaublich aktuell.

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