Markt Indersdorf:Damals, in Rota

Markt Indersdorf: Ein Gotteshaus mit bewegter Geschichte: Heimatforscher Gisbert Köhler vor der Pfarrkirche St. Georg in Niederroth.

Ein Gotteshaus mit bewegter Geschichte: Heimatforscher Gisbert Köhler vor der Pfarrkirche St. Georg in Niederroth.

(Foto: Toni Heigl)

Heimatforscher Gisbert Köhler gibt mit einem Vortrag im Augustiner Chorherren Museum Einblicke in die Ursprünge von Niederroth. Der Ort wurde im Jahr 769 erstmals urkundlich erwähnt, vorübergehend war er im Besitz der Kirche. Heute gehört er zum Markt Indersdorf

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Kirchen spielen ja für ländliche Gemeinden eine große Rolle. An Sonn- und Feiertagen strömen die Bewohner zum Gottesdienst in das Zentrum des Ortes, weil die sakralen Gebäude meistens in der Mitte des Dorfes liegen. Kirchen prägen häufig das Bild eines Ortes. Die Türme ragen aus der Silhouette heraus. Das gilt auch für die Klosterkirche von Markt Indersdorf. Zwei Kilometer weiter, im Ortsteil Niederroth, bestimmt die Pfarrkirche St. Georg die Mitte des Dorfes. Ihre Ursprünge könnten aus dem 8. oder 9. Jahrhundert stammen, vermutet zumindest Gisbert Köhler. In der Archäologischen Staatssammlung hat er ein Buch entdeckt, das die Bauweise einer Kirche in Unterfranken skizziert, die Archäologen auf das 9. Jahrhundert datieren. Niederroth wurde als Rota erstmals urkundlich im Jahr 769 erwähnt; der Vorläufer der Pfarrkirche St. Georg könnte also ungefähr so alt wie die in Unterfranken entdeckten Überreste eines Kirchenbaus sein und so ähnlich ausgesehen haben: Holzpfosten, die in einem getrockneten Lehmboden steckten und die tragenden Säulen der Kirche waren. Der erste steinerne Kirchenbau in Niederroth entstand um das Jahr 1150. Im Lauf der Zeit wurde er mehrmals erneuert.

Mehr als drei Jahre recherchierte Gisbert Köhler, pensionierter Diplom-Ingenieur und leidenschaftlicher Heimatforscher, um "die Jugendzeit des Dorfes Niederroth" zu ergründen. Er sichtete Dokumente in der Münchner Staatsbibliothek, durchforstete die Archäologische Staatssammlung und nahm Kontakt zur Gemeinde Rott am Inn auf, deren Kloster für die Geschichte Niederroths eine Rolle spielt. Etwa 80 Zuhörer lauschten seinen Ausführungen, halb Niederroth versammelte sich im Augustiner Chorherren Museum in Markt Indersdorf, dazu Heimatforscher Professor Wilhelm Liebhart, Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter und stellvertretende Landrätin Marianne Klaffki. Köhler, der seit 20 Jahren in Niederroth lebt, stellte die Historie des Ortes in den Kontext mit der Geschichte Altbayerns. Der Raum um das heutige Niederroth wurde im Laufe der Zeit von vielen Völkern und Fürsten beherrscht; zunächst stand er unter dem Einfluss von Kelten und Römern, nach der Völkerwanderung folgten um etwa 500 nach Christus die Bajuwaren. Anschließend hatten die Merowinger und die Agilolfinger das Sagen, bevor die Franken unter Karl dem Großen nicht nur das Gebiet des heutigen Bayern, sondern auch Sachsen und die Lombardei eroberten. Dies war das Ende des bis dahin eigenständigen Herzogtums Bayern. Dann fiel das Gebiet in die Hände der Welfen. Münchens Gründer Heinrich der Löwe war der letzte Welfen-Herrscher über Bayern. Pilgrimiden, Aubonen und Diepoldinger Rapotonen waren altbayerische Adelsgeschlechter, die zwischen dem Jahr 800 und dem Jahr 1000 im oberbayerischen und Freisinger Raum regierten. In diese Zeit fiel auch ein für das junge Niederroth einschneidendes Ereignis: Pfalzgraf Kuno I. von Rott am Inn verschenkte den Weiler Rota als Mitgift. Nach Köhlers Überzeugung ist mit der Bezeichnung Rota nicht Rott am Inn gemeint, sondern eben Niederroth. Hinweise darauf gebe ein historisches Dokument aus dem Jahr 769, in dem der Ort Rota erstmals urkundlich erwähnt werde. In der Urkunde finden sich Hinweise, dass dieses Rota im Bistum Freising und an dem Bach Roth lag, der heute noch von Niederroth nach Indersdorf fließt. Der Grundeigentümer Cundhart schenkte das Gelände der Kirche. "Die erste urkundliche Erwähnung ist kein wissenschaftlicher Beweis für das Alter von Niederroth, sondern nur eine Mutmaßung", stellte Gisbert Köhler klar. Um das Jahr 1200 wurde der Ortsname in Rota minor abgeändert, zu deutsch das kleinere Rota. Daraus entwickelte sich der heutige Ortsname Niederroth.

Dass auch Niederroth von den Plünderungen der Hunnen und später der Schweden betroffen war, davon zeugt laut Köhler eine Erdwallanlage auf Niederrother Flur. Zwar wurden keine Überreste davon gefunden. Doch es gibt eine historische Zeichnung des Freiherrn von Hundt aus dem Jahr 1855, auf der er die Befestigungsanlage mit einem runden Erdwall und Palisaden skizzierte. Möglicherweise diente diese Anlage einst auch als Herrensitz. Sie ist auch auf einer Katasterkarte aus dem Jahr 1863 eingezeichnet. Zu sehen ist dort auch ein Verbindungsweg nach Sigmertshausen, der wie die heutige Straße verläuft. In Ringwallanlagen wie der bei Niederroth suchten Einheimische wohl Schutz vor den marodierenden Hunnen. Diese Plage hatte erst dann ein Ende, als König Heinrich I. die Ungarn vor Augsburg vernichtend schlug.

Köhler ging auch auf die Schulbildung ein. In den Anfängen spielte Pfarrer Huter eine wichtige Rolle, der 1786 im Pfarrhaus den ersten Unterricht gab. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde in Bayern die allgemeine Schulpflicht eingeführt. Der Pfarrer baute ein Backhaus zum Schulhaus um. Geistliche waren eben immer auch Männer von Bildung.

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