Marketing und Religion:Luther auf Socken

Die Schüler des Dachauer Ignaz-Taschner-Gymnasiums haben sich ein Jahr lang mit dem Reformator beschäftigt und eine Ausstellung konzipiert. Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler lobt sie und diskutiert mit den Jugendlichen

Von Daniela Gorgs, Dachau

Wer war dieser Luther eigentlich? Und welche Auswirkung hat der Rebell, der im Reformationsjahr in den Mittelpunkt rückt, auf unser heutiges Leben? Er prägte den Begriff der Freiheit eines Christenmenschen und stürzte die Welt um mit seinen Thesen, die er an die Schlosskirche zu Wittenberg mit einem Hammer genagelt haben soll. Ein Schuljahr lang beschäftigten sich die Schüler des Ignaz-Taschner-Gymnasiums Dachau mit Martin Luther. Sie recherchierten seine Biografie, erörterten den Begriff Ökumene und hinterfragten die Vermarktung Luthers.

Zugang zur historischen Person über Playmobil

Denn meist ist es so, wer einen Reformationsort besucht, kauft gern ein Souvenir. Die Palette zum 500. Reformationsjubiläum ist groß und teilweise ungewöhnlich. Was würde Luther wohl sagen, wenn er wüsste, dass er sogar auf Socken verewigt wurde? In einer Ausstellung im Foyer des Gymnasiums trugen die Dachauer Schüler ihre Erkenntnisse und Meinungen zusammen. Der Betrachter erfährt: Socken mit Luther-Emblem sind lächerlich, Malbücher und der Reformator als Playmobil-Figur dagegen gut. Auf diese Weise könnten junge Menschen einen Zugang zu dieser historischen Person finden.

Perfekt, gelungen, fantastisch

Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler sah sich die Schülerarbeiten an den Stellwänden genau an. Sehr interessant fand sie den Vergleich der Person Luthers mit dem New Yorker Rapper Tupa Shakur. Mit seinem Song "Is there a Heaven for a Gangster"? setzte sich der Rapper mit der Frage nach einem gnädigen Gott auseinander. Die Frage, wie man vor Gott gerecht werde, beschäftigte auch Martin Luther lange Zeit. Als "perfekt gelungen und fantastisch" lobte die Regionalbischöfin die Ausstellung, die in Gemeinschaftsarbeit aller Klassen unter der Leitung von Helga Eham, katholische Fachbetreuerin, und Liza Fischer, evangelische Religionslehrerin, entstand. Die Schüler hätten das Wichtigste erfasst, sagte Breit-Keßler.

Marketing und Religion: Ihr Thema: Martin Luther im Reformationsjahr. Auch die Schüler befassten sich mit dem Reformator und trugen ihre Ideen zu einer Ausstellung zusammen.

Ihr Thema: Martin Luther im Reformationsjahr. Auch die Schüler befassten sich mit dem Reformator und trugen ihre Ideen zu einer Ausstellung zusammen.

(Foto: Toni Heigl)

Bei der Ausstellungseröffnung spornte die Regionalbischöfin den Nachwuchs an, auch künftig die Welt zu hinterfragen und Position zu ergreifen. Im Anschluss referierte Breit-Keßler im Ludwig-Thoma-Haus und kam mit den Schülern der Q 11 ins Gespräch. Eine Schulstunde lang drehte sich alles um Martin Luther. Zu Beginn stellte die Regionalbischöfin klar, dass ihr Vortrag alles andere als eine Heldenverehrung sein werde. Heute wisse man: "Luther war unfreundlich gegenüber Frauen." Auch seine Tiraden gegenüber Juden seien bekannt. Keiner halte mehr an seinen unsäglichen Äußerungen fest.

"Wer würde für seine eigene Überzeugung so weit gehen?"

Dennoch, der Kämpfer Luther, der sich für die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit stark machte und im Jahr 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlichte, riskierte sein Leben. Beim Reichstag zu Worms wurde er für vogelfrei erklärt. "Jeder hätte ihn straffrei ermorden dürfen", sagte Breit-Keßler. "Wer würde für seine eigene Überzeugung so weit gehen?", fragte sie die Schüler. Kritik am Zeitgeist sei auch in heutiger Zeit angebracht, fuhr sie fort. Und fing gleich selbst damit an: Eine Schönheits-OP zum Abitur, Botox spritzen, Fett absaugen - dies alles seien Anzeichen für eine Gesellschaft, die permanent nach Perfektion und Leistung strebe. Breit-Keßler prangerte an, dass durch die hoch technisierte pränatale Diagnostik aussortiert werde. "Ich werde unruhig, wenn ausgewählt wird", erklärte sie. Eltern, die sich bewusst für ein behindertes Kind entschieden, müssten sich rechtfertigen.

Marketing und Religion: Aufmerksam hören die 16- und 17-jährigen Schüler des Ignaz-Taschner-Gymnasiums am Mittwoch der Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler zu.

Aufmerksam hören die 16- und 17-jährigen Schüler des Ignaz-Taschner-Gymnasiums am Mittwoch der Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler zu.

(Foto: Toni Heigl)

Ihre Ansichten zu ethischen Fragen ließen die Schüler nicht unkommentiert. So berichtete ein Mädchen von ihrer behinderten Schwester, auf die das Umfeld ganz normal und tolerant reagiere. Ihr antwortete Breit-Keßler: "Sie haben Recht, danke für die Korrektur." Natürlich könne man nicht verallgemeinern. Ein anderer Schüler wollte erfahren, ob Breit-Keßlers generelle Ablehnung der Abtreibung auch im Falle einer Vergewaltigung gelte. Die Regionalbischöfin antwortete diplomatisch. In keinem Fall würde sie eine Frau in dieser schwierigen Situation alleine lassen, auch wenn sie sich gegen eine mögliche Freigabe zur Adoption entscheiden würde. "Ich bin kein Moralapostel."

Die letzte Frage eines Schülers zur Ökumene beantwortete sie optimistisch. Die Zeichen stehen nicht schlecht, sagte sie und warb um eine "versöhnte Verschiedenheit".

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