Mariä Himmelfahrt:Voll im Stress

Die Zeit um Ostern ist für Messdiener eine hektische Zeit: Es gilt, eine Vielzahl von Gottesdiensten mit einer Vielzahl ungewöhnlicher Messabläufe zu meistern. Ein Oberministrant von Mariä Himmelfahrt berichtet.

Andreas Baumer

Mariä Himmelfahrt: Ministranten im Einsatz: Palmsonntagsprozession in der Dachauer Altstadt bei strahlendem Sonnenschein 2012.

Ministranten im Einsatz: Palmsonntagsprozession in der Dachauer Altstadt bei strahlendem Sonnenschein 2012.

(Foto: © joergensen.com)

DachauDie Karwoche ist zweifellos eine in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Woche im Kirchenjahr. Noch immer zieht es Christen in aller Welt vorwiegend in dieser Zeit in die Kirchen, um der Passionsgeschichte Jesu zu gedenken und schließlich in der Osternacht die Auferstehung des Messias, den Kern des christlichen Bekenntnisses, zu feiern.

Ministranten verbinden mit der Karwoche und den darauffolgenden Osterfeierlichkeiten aber noch etwas ganz Anderes: Stress. Nicht nur, dass sich die Zahl von Gottesdiensten innerhalb von einer Woche vervielfacht. Die Karwoche wartet auch mitunter mit den größten Abweichungen vom gewöhnlichen Messablauf auf. Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag und Osternacht. Jeder Feiertag hat seine charakteristischen Einzigartigkeiten.

Aaron Schweiger kennt die Besonderheiten in- und auswendig. Kein Wunder: Der 24-jährige Student ist seit 1998 Messdiener. Auch dieses Jahr nimmt er wieder teil an den Feierlichkeiten der Dachauer Gemeinde Mariä Himmelfahrt, die zurzeit rund 90 Ministranten vorzeigen kann.

Mit dem Palmsonntag hat der jährliche Marathon wieder begonnen. "Wir haben am Pfarrkindergarten angefangen und sind dann zur Kirche gegangen", erzählt der Oberministrant. Der Palmsonntag erinnert an den feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem, auf dem Rücken eines Esels, gehuldigt vom einfachen Volk mit Palmzweigen. Auch die Ministranten von Mariä Himmelfahrt sind wieder mit Palmbuschen in die Kirche eingezogen. Nicht nur das ist nicht alltäglich für die Messdiener. "Weil der Palmsonntag ein Festtag ist, tragen wir unter dem weißen Chorhemd ein rotes Untergewand im Gegensatz zu den vorherigen Fastensonntagen, bei denen violette Untergewänder vorgeschrieben sind", berichtet Schweiger. Dennoch halten sich die Abweichungen noch im Rahmen.

Drei Ruhetage sind den Ministranten von Mariä Himmelfahrt vergönnt, ehe sich der Reigen am Abend des Gründonnerstags fortsetzt. Spätestens um 19.30 Uhr sind die helfenden Hände der Messdiener jedoch wieder gefragt. Denn um an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern zu erinnern, wird in der Kirche Mariä Himmelfahrt zur Kommunion nicht nur die Hostie, sondern auch ein Kelch mit Wein, das Blut Christi, dargereicht. Die Ministranten haben viel zu tun: Kelche und Schalen müssen zum Altar gebracht und wieder weggetragen werden. Bis zu vier Ministranten teilen sich diese Aufgabe - doppelt so viele wie gewöhnlich. Zum Ende des Gottesdienstes wird schließlich der Tabernakel geleert und der Altarraum ausgeräumt. Jetzt kann die nächtliche Ölbergandacht beginnen. Schweiger wird dann nicht mehr dabei sein. "Auch ich muss mir meine Zeit einteilen", sagt er entschuldigend. Auf eine Prüfung kurz nach Ostern muss nämlich auch irgendwann noch gelernt werden.

Zudem steht ein ungleich anstrengenderer Tag vor der Tür: der Karfreitag. Und wer sich dessen nicht bewusst ist, der könnte um 14.30 Uhr unangenehm überrascht werden. Denn statt der Glocken und der Orgel, die seit Donnerstagabend schweigen, animieren Schweiger und seine Mitstreiter vor der Mariä Himmelfahrt Kirche mithilfe von hölzernen Ratschen, die durch Bewegung einen einschneidenden Ton erzeugen, zum Kirchgang. Schweiger schmunzelt: "Die machen einen Heidenlärm." Zweimal wird der Brauch wiederholt. Um 14.45 Uhr und zum letzten Mal sieben Minuten vor Beginn der Messe um 15 Uhr.

Dann fangen sie an, die wohl melancholischsten, andächtigsten Momente im Kirchenjahr. Schweigend ziehen Pfarrer und Ministranten in die Kirche ein, ehe im weiteren Verlauf die Passionsgeschichte verkündet wird und die Großen Fürbitten vorgetragen werden. Dann der bewegendste Teil der Messe: Mit einem anfangs verhüllten großen Holzkreuz schreitet der Pfarrer bis zum Altarraum, die Ministranten hintendrein. Am Fuße des Altars wird das Kreuz enthüllt und auf einem Ständer platziert. In drei Etappen huldigen die Ministranten daraufhin dem Kreuz. Damit in diesem komplizierten Ritus keine groben Fehler unterlaufen, setzen die Messdiener zuvor sogar eine spezielle Probe an. Früher wurde sowohl am Gründonnerstag als auch am Karfreitag geübt, doch, wie der Oberministrant ausführt, hätten zeitliche Engpässe bei einigen älteren Ministranten dazu geführt, dass man sich jetzt nur noch freitags vorab treffen würde. "Wir machen das gerade für die kleineren Minis, die noch nicht so lange dabei sind", erläutert Schweiger. "Ziel ist es, dass die Kniebeugen auf allen drei Etappen einigermaßen synchron vollzogen werden."

Die Zeit nach dem Karfreitagsgottesdienst ist die Zeit der Trauer und Einkehr, des zweitägigen Wartens. So lange haben die Ministranten von Mariä Himmelfahrt nicht Pause. Bereits am Karsamstag stehen die Vorbereitungen für die kommende Osternacht, den höchsten Feiertag im katholischen Kirchenjahr, an. Eine außergewöhnliche Messe, wie auch die Ministranten Jahr für Jahr aufs Neue erfahren.

Schon der Einzug ist etwas ganz Besonderes: Am Sonntag um 5 Uhr früh versammeln sich Priester und Messdiener rund um das Osterfeuer außerhalb der Kirche. Das Feuer wird gesegnet, die Osterkerze entzündet. Nun kann die Prozession in die stockdunkle Kirche stattfinden. "Lumen Christi" schallt es dreimal durch das Gotteshaus. "Deo gratias" kommt es zurück. Mithilfe der Ministranten erleuchtet bald die ganze Kirche von den unzähligen kleinen Lichtern. Damit fangen die Aufgaben der Messdiener erst an: Da elektrische Lichter erst nach dem Gloria angeschaltet werden dürfen, müssen zwei Ministranten mithilfe von Kerzenleuchtern den Ambo für Lektoren und Sänger erhellen. Auch für das Schwenken des Weihrauchfasses sind mehrere Messdiener eingeteilt. Schweiger begründet: "Gerade weil es noch so früh ist, besteht die Gefahr, dass einem Ministranten beim Schwenken irgendwann schlecht wird." Zumal der Ostergottesdienst sich auch in der Gemeinde Mariä Himmelfahrt hinziehen kann. "Mit guten anderthalb bis zwei Stunden muss man schon rechnen", meint Schweiger. À propos Dienstplan. Anders als im übrigen Jahr könnten die Ministranten in der Karwoche frei entscheiden, wann sie welchen Dienst übernehmen wollen. "Wir Oberminis schauen nur darauf, ob denn die Wunscheinteilung so passt, ob Jung und Alt immer gut gemischt sind", meint Schweiger.

Dabei dürfte gerade die Osternacht bei den jungen Leuten sehr populär sein. Denn nach getaner Arbeit treffen sich die Messdiener traditionell zu einem gemeinsamen Osterfrühstück - selbstverständlich mit den obligatorischen Osterlämmern und Ostereiern in den vollgepackten Körben. Eine "ganz tolle Sache" sei dies immer, sagt Schweiger. So lässt es sich dann auch verschmerzen, dass der Gottesdienst-Marathon noch immer nicht vorbei ist, innerhalb von zwei Tagen noch vier weitere Messen stattfinden. Etwas Neues ist das nicht für den Oberministranten. Immerhin kennt er den Turnus schon seit 15 Jahren.

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