Livia Bitton-Jackson:Begeistert vom neuen Dachau

Warum die ehemalige KZ-Insassin Livia Bitton-Jackson am Montag zu einem Vortrag ins Max-Mannheimer-Studienzentrum nach Dachau kommt.

Helmut Zeller

Als Livia Bitton-Jackson 2010 erstmals nach 65 Jahren Dachau besuchte, war ihr doch recht mulmig zumute. Von Deutschland aus - ihr Bruder weigert sich konsequent, auch nur einen Fuß in dieses Land zu setzen - war der Massenmord an den Juden vorbereitet und über ganz Europa ausgebreitet worden. So wurde auch die 13-jährige Elli Friedmann, wie Livia Bitton-Jackson früher hieß, mit ihrer Familie im März 1944 aus dem heutigen slowakischen, damals von Ungarn annektierten Samorin nach Auschwitz-Birkenau verschleppt.

Livia Bitton-Jackson: Livia Bitton-Jackson 2010 in Dachau.

Livia Bitton-Jackson 2010 in Dachau.

(Foto: DAH)

Von ihrem leidvollen Weg durch verschiedene Konzentrationslager, darunter zwei Dachauer Außenlager, Mühldorf und die Augsburger Michelwerke, bis zur Befreiung im oberbayerischen Seeshaupt am 30. April 1945 erzählt die Schriftstellerin in ihrem mehrfach preisgekrönten Buch "1000 Jahre habe ich gelebt". Mit dem Buch stellte sich die Professorin für jüdische Geschichte in eine Reihe mit Autoren wie Ruth Klüger, Primo Levi und Elie Wiesel. Der lobte es als eines der bewegendsten Dokumente, die er jemals über den Holocaust gelesen hat. Mit den Jahren und der Geburt von Kindern, Enkeln und Urenkeln rückte "die Hölle von Dachau" (L. Bitton-Jackson) in weite Entfernung.

Eine Woche lang blieb sie im Vorjahr in Dachau und sprach nicht nur im Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte über ihre Erlebnisse, sondern auch in Schulen vor Jugendlichen. Vor ihrer Abreise im vergangenen Jahr sagte Livia Bitton-Jackson der Dachauer SZ: "Ich bin so froh, ich habe in Dachau die neuen Deutschen kennengelernt. Von diesem Land wird kein Holocaust mehr ausgehen." Jetzt kommt Livia Bitton-Jackson wieder, die Evangelische Versöhnungskirche hat sie zusammen mit dem Jugendgästehaus und der KZ-Gedenkstätte Dachau zu einem Zeitzeugengespräch eingeladen.

Am Montag, 28. November, spricht die Wissenschaftlerin um 19 Uhr im Max-Mannheimer Studienzentrum im Jugendgästehaus. Die Besucher ihres beeindruckenden Vortrags vor einem Jahr, der mit der Ankunft in Auschwitz endete, werden begierig darauf sein, ihre Geschichte weiter zu hören. Nach Kriegsende wanderte sie in die USA aus und lehrte viele Jahre lang als Professorin für jüdische Geschichte und Literatur an der New York City University.

Nach Dachau reisen sie und ihr Mann Len Jackson von Bratislava aus an. In der Hauptstadt der Slowakischen Republik stellt die Schriftstellerin ihr jüngstes Werk "Saving What Remains" vor. In dem Buch, dem ersten, das jetzt in ihre slowakische Muttersprache übersetzt worden ist, erzählt sie von ihrer Reise in ihre ehemalige Heimat. Im Juli 1980 machte sie sich mit ihrem Mann Len auf den Weg, um die sterblichen Überreste ihrer Großeltern zu bergen und nach Jerusalem zu bringen.

Die damals kommunistische Stadtverwaltung von Bratislava hatte beschlossen, den jüdischen Friedhof für den Bau einer gigantischen Brücke über die Donau zu fluten. Die Stadt Samorin, in der sie geboren wurde und aus der die kleine Elli Friedmann als 13-Jährige verschleppt wurde, nutzt die Gelegenheit, um Livia Bitton-Jackson mit der Bürgermedaille zu ehren. Auch für die Stadt Dachau und der Erinnerungspolitik ihres Oberbürgermeisters Peter Bürgel (CSU) ist der Besuch Livia Bitton-Jacksons von Bedeutung: 2010 schrieb sie als Kolumnistin der "Jewish Press" in den USA einen begeisterten Artikel über das neue Dachau - die Stadt, die ihren Namen nicht mehr nur als Synonym für die Verbrechen der Nationalsozialisten verstanden wissen will.

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