Letzte Folge:Viel Lärm um einen stillen Ort

Ein Grundstücksbesitzer und das Landratsamt kämpften jahrelang um das besonders schützenswerte Poschenmoos. Die Akten zum Fall beanspruchen inzwischen mehrere Meter in den Regalen der Behörde

Von Carolin Schneider, Hohenlinden

Die Sonne glitzert auf dem Wasser, die weißen Blüten der Seerosen strahlen schon von weitem. Raschelnd bewegt sich das Schilf im Wind. Große, alte Bäume ragen in den Himmel. Das Moos sieht aus wie grüne, weiche Wolken. Plötzlich ein Quaken aus Richtung des Teiches. Dann: Stille.

Fragt man Johann Taschner, Leiter der Naturschutzbehörde im Landratsamt Ebersberg, nach dem Poschenmoos bei Hohenlinden, fallen ihm viele Begriffe ein, um das Naturdenkmal zu beschreiben. Stille ist keiner davon. "Dieses Naturdenkmal hat uns am allermeisten Arbeit bereitet", so Taschner. Die Akten dazu beanspruchen inzwischen fast vier Meter in den Regalen der Behörde.

Die Arbeit machte vor allem ein früherer Grundstückbesitzer, der einen Teil des Moorgebietes Anfang der 70er Jahre erwarb und für das Gelände allerlei hochfliegende Ideen hatte. Erst sollte es eine Erdbeerplantage werden, was auf den feuchten Böden nicht funktionierte, dann eine Fischzucht. 1975 rückte er mit großen Baggern an, um einen Teich anzulegen, jedoch ohne Genehmigung. Die wollte der Eigentümer zwar nachträglich beantragen, doch die Naturschutzbehörde legte ihr Veto ein. Schon länger dachte man damals nämlich laut Taschner darüber nach, das Poschenmoos als Naturdenkmal unter Schutz zu stellen. Für die Behörde war daher klar: Der ursprüngliche Zustand des Grundstückes sollte wieder hergestellt werden, der Teich musste weg. Dass es den Teich dennoch bis heute gibt, liegt daran, dass der Eigentümer durch alle Rechtsinstanzen zog, um sich gegen die Entscheidung zu wehren. Bis zum Bundesverwaltungsgericht ging das; der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschäftigte sich sogar mehrmals mit dem Thema. Doch nie mit dem Ergebnis, das sich der widerspenstige Grundstücksbesitzer gewünscht hätte.

Naturdenkmal Poschenmoos bei Hohenlinden

Seerosen, Laichkraut, verschiedene Binsen und Gräser sind in dem Biotop zu Hause.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Während allerdings die Gerichte arbeiteten, tat sich auch im Poschenmoos einiges, es entwickelte sich zu einem wertvollen Lebensraum für Pflanzen und Tiere, die auf Wasser- und Feuchtflächen angewiesen sind - und durfte dann doch so bleiben, wie es war. Den Teich nach all den Jahren wieder aufzufüllen, hätte einfach keinen Sinn mehr gemacht, erinnert sich Taschner.

Eine Biotopkartierung 1979 ergab, dass im Poschenmoos unter anderem die weiße Seerose, Laichkraut, verschiedene Binsen und Gräser, der Wasserfrosch sowie Libellenarten beheimatet sind. 1982 wurde das Poschenmoos zum Naturdenkmal ernannt, was auch ohne die Einwilligung der Grundstückseigentümer möglich ist.

Ohnehin ließ sich der von dem neuen Status des Areals und den Niederlagen vor Gericht wenig beeindrucken. Er besaß auch Grundstücke rund um das Schutzgebiet, auf einem davon baute der Mann eine Hütte - wieder ohne Genehmigung. Als der Landkreis diese entfernen ließ, baute er kurzerhand eine neue. "Dieses Mal auf Rädern", so Taschner. "Wenn wir ihn gebeten haben, die Hütte von einem Flurstück zu entfernen, schob er sie einfach auf das nächste", sagt er und schüttelt dabei den Kopf.

Naturdenkmal Poschenmoos bei Hohenlinden

Auch die Fauna ist Artenreich: Im Poschenmoos leben der Wasserfrosch sowie verschiedene Libellen- und Schmetterlingsarten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wenig später gab der Eigentümer Kalk in den Weiher, um die Wasserqualität zu verbessern. Denn er wollte dort Forellen züchten. "Viele Forellen mussten deshalb ihr Leben lassen", sagt Taschner. Karpfen und weniger empfindliche Fische überlebten jedoch. Um diese zu fangen, zog der Mann mit einem Bagger einen großen Graben, sodass das Wasser abfloss. Sobald der Weiher trocken gelegt gewesen wäre, hätte er die Fische eingesammelt. Gerade noch rechtzeitig erreichten Taschner und zwei Polizisten das Moos und konnten den Zustand des Naturdenkmals retten.

Auch dem Gerücht, im Poschenmoos sei ein Schatz versteckt, wollte der Grundstücksbesitzer nachgehen. Heimatforscher Martin Hubner, der sich mit der Schlacht von Hohenlinden im Jahr 1800 beschäftigt, weiß, woher das Gerücht kommt: "Nach der Schlacht von Hohenlinden, fehlte die Kriegskasse der österreichischen Armee", erzählt er. Sie soll in den Mooren um Hohenlinden untergegangen sein. "Wahrscheinlich war das aber nur eine Ausrede der geschlagenen Kriegsherren, weil sie die Kasse irgendwo verloren haben", so Hubner.

Naturdenkmal Poschenmoos bei Hohenlinden
(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Jahr 1995 ergab sich für den Landkreis die Chance, per Vorkaufsrecht die Grundstücke zu erwerben. Seitdem gehören sie dem Landkreis sowie der Gemeinde Hohenlinden. Akzeptieren kann das der frühere Grundstücksbesitzer allerdings nicht, deshalb trifft man den älteren Herrn bisweilen noch heute im Poschenmoos an, für das er einst so große Pläne hatte. Weil er dort inzwischen aber keine großen Schäden mehr anrichtet, lässt ihn die Naturschutzbehörde weitgehend gewähren. Ganz still ist es um das Naturdenkmal also immer noch nicht. Doch wer dort spazieren geht, bekommt vom Lärm drumrum nichts mit. "Im Poschenmoos herrscht viel Ruhe", sagt Ludwig Maurer, Bürgermeister der Gemeinde Hohenlinden. "Es ist ein Rückzugsgebiet. So etwas ist in der schnelllebigen Zeit besonders wichtig."

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