Leierkasten Dachau:Schlagfertiger Engel

Blonder Engel

Ätherisches Äußeres, charmanter Dialekt, große Klappe: Der Blonde Engel überrascht sein Publikum mit schöner Gesangsstimme und viel Witz.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Mit einer Kabarett-Neuentdeckung aus Linz beginnt das Kulturprogramm im Leierkasten. Ein Abend, der Lust macht auf mehr

Von Renate Zauscher, Dachau

Einen himmlischen Gast hatte Frank Striegler zum Auftakt des Herbstprogramms des Leierkastens in die Friedenskirche eingeladen: den "Blonden Engel", in irdischen Gefilden als Musikkabarettist unterwegs, der vor kurzem erst mit dem "Kabarett-Kaktus" und dem "Silbernen Scharfrichterbeil" ausgezeichnet wurde.

Auf den ersten Blick entspricht der junge Mann auf der Bühne durchaus den Erwartungen, die man an ein Geschöpf aus himmlischen Sphären hat: Geradezu ätherisch schmal ist er, und sein bordürenbesetztes Satinhemd so himmelblau wie seine Augen. Die leuchtend grüne Brille allerdings hätte den Zuschauern gleich von Anfang an signalisieren können, dass sich hinter dem himmlischen Exterieur ein irdischer Geist verbirgt, der seinen Spaß an ganz bewusst eingesetzten Überraschungseffekten hat.

Gleich die erste Überraschung fürs Publikum: Statt aus himmlischen Höhen kommt der Blonde Engel überaus hörbar aus Österreich, genauer aus Linz an der Donau - und wer Probleme mit seinem Dialekt habe, lässt der Engel seine Zuhörer wissen, der "hat ganz einfach Pech g'habt". So ungewohnt wie das kräftige Linzer Idiom ist auch der Einstieg ins Programm: Der Blonde Engel spielt mit seinem Publikum, setzt nach den ersten Gitarrenklängen wieder ab, kommt ins charmante Plaudern und erzählt Geschichten, die er ad hoc zu erfinden scheint. Die Zuhörer im Gemeindesaal spielen sehr schnell mit: Der Kontakt ist da, nicht trotz sondern wohl gerade wegen des dialektlastigen Schmähs.

Was alles an Talenten in dem schmalen Mann auf der Bühne steckt, wird klar, wenn er zur Gitarre greift und zu singen beginnt. Zum Vergnügen an Wortspielerei und Hintersinn, an Ironie und Selbstironie kommt die Fähigkeit, aus alltäglichen Begebenheiten Skurriles und Verqueres herauszudestillieren und in witzige Texte zu verdichten. Dazu kommt eine Stimme, um die ihn manch anderer Bühnenmensch beneiden könnte und ein parodistisches Talent, das vor allem zum Tragen kommt, wo es um den "deutschen Schlager" und seine sinnentleerten Phrasen geht. Mehr und mehr darf sich im Lauf des Abends das Publikum in die Programmgestaltung mit einbringen. Es redet mit, singt mit, und ist immer wieder begeistert, mit welcher spontanen Geistesgegenwart der Engel auf Stichworte reagiert. Das gelingt ihm sogar dann, wenn Kritik anklingt, etwa darüber, dass ein Text in schönem Italo-Denglisch nicht "deutsch" genug ist. Kein Problem für den Engel: Er hat sofort die passende Antwort parat und bekommt dafür Beifall vom Rest des Publikums.

Wie zu Beginn, gibt es auch zum Schluss eine Überraschung. Nach einem ersten Abgang von der Bühne kehrt er in wahrhaft himmlischem Ornat wieder: in goldenen Leggings, mit bloßem Oberkörper und prächtigen Engelsflügeln. Damit schwingt er sich zu noch beeindruckenderen Höhenflügen seines Improvisationstalents auf: Auf Zuruf verwandelt er Stichworte zu Dachauer Themen oder zu verschiedenen Komponisten sekundenschnell in kleine Textpassagen und an große Blues-und Rock-Vorbilder angelehnte Musikstücke.

Auch wenn die Botschaft des Blonden Engels inhaltlich nicht mithalten kann mit denen der biblischen Vorbilder: Er bietet beste Unterhaltung abseits von Mainstream und kabarettistischem Mittelmaß. Eine Neuentdeckung von Frank Striegler, die Lust auf das weitere Programm des Leierkasten macht.

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