Landkreis Dachau:Mit offenem Visier

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Die Konferenzen von Mandatsträgern und Bürgern über die Entwicklung der eigenen Region haben begonnen - es geht um die Zukunft des gesamten Dachauer Landkreises.

Wolfgang Eitler

Kreisbaumeister Georg Meier ist kein Mensch, der in der Öffentlichkeit Emotionen zeigt. Das passt auch nicht zu seinen Aufgaben, weil er zwischen den Interessen der Bürger beim Bauen und Planen von Gebäuden, Wohngebieten und Straßen oftmals ausgleichend wirken muss. Aber wenn es um die Frage der Zukunft des gesamten Landkreises Dachau geht, neigt der Kreisbaumeister seit einiger Zeit zu deutlichen Warnungen vor gefährlichen Entwicklungen, die alle 17 Gemeinden "überrollen" könnten. Sie lassen sich in dem Schlagwort "Siedlungsdruck" zusammenfassen. Meier: "Wenn wir uns dieser Aufgabe nicht stellen, haben wir später kein Recht mehr, uns zu beklagen." Und zwar vorurteilslos, mit offenem Visier.

Der Siedlungsexperte Holger Magel (im Bild) und Verkehrsexperte Gebhard Wullfhorst von der Technischen Universität München beraten die Planungsgesellschaft Grontmij und den Landkreis bei diesem Vorhaben. (Foto: DAH)

Einen Tag nach der ersten Konferenz der Mandatsträger des Landkreises (Gemeinde- und Kreisräte, Stadträte und Bürgermeister) zu eben diesem Problemkreis im großen Saal des Gasthauses Doll in Ried bei Markt Indersdorf zeigte er sich am Donnerstag sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Nicht, weil nun ganz neue Aspekte aufgetreten wären oder bereits große Ergebnisse vorlägen, sondern weil sich 140 Mandatsträger eingefunden hatten, um in zwölf Arbeitskreisen und in mehrstündiger Beratung einmal darzulegen, wo sie die Schwerpunkte der Entwicklung des Landkreises sehen. "Die Resonanz hat mich sehr gefreut", sagt er im SZ-Gespräch, "und auch bestätigt".

Bis in den Herbst hinein wollen die Bürgermeister und Mandatsträger gemeinsam mit den Bürgern die Eckpunkte für eine künftige Entwicklung des Landkreises beraten. Die Ausgangsdaten, welche die Planungs- und Ingenieurgesellschaft Grontmij in Umfragen bei allen 17 Gemeinden in Zusammenarbeit mit dem Regionalentwicklungsverein Dachau Agil als Partner aufbereitet hat, sind folgende: Bis 2030 wird die Bevölkerung im Landkreis um etwa zehn Prozent auf knapp 160 000 Einwohner wachsen. Die Gründe liegen einerseits in der wirtschaftlichen Attraktivität des Ballungsraums München, andererseits in der Notsituation der Landeshauptstadt, die nur noch über wenige Flächen für den Wohnbau oder auch für Gewerbeansiedlungen verfügt. Dieser Zwang erzeugt den Wachstumsdruck auf die ganze Region, speziell aber auf Dachau wegen der Nähe zu den großen Konzernen wie Siemens, BMW, MTU oder auch MAN.

Eine zentrale Grafik, die Grontmij den Teilnehmern präsentierte, verdeutlicht die innere Zerrissenheit des Landkreises Dachau: Er zerfällt in einen städtischen und in einen ländlichen Raum, als würde eine Mauer die beiden Bereiche trennen. Eine weitere verdeutlicht, dass innerhalb dieser Teilbereiche erhebliche, teils noch nicht erklärbare Probleme auftauchen. Grontmij-Sprecherin Claudia Bosse sagt: "Da sind die Gemeinden gefordert." So prognostiziert Grontmij auf der Basis der Daten des Statistischen Landesamts, dass Karlsfeld bis 2030 junge Familien verlieren wird oder zumindest weniger dorthin ziehen werden als in den übrigen Landkreis. Erdweg und Hilgertshausen-Tandern müssen in dem gleichen Zeitraum mit einem Rückgang der Einwohnerzahl rechnen. Beim Gewerbe haben Röhrmoos sowie Erdweg das Nachsehen im Vergleich zu allen anderen, wirtschaftlich expandierenden Gemeinden.

Aber Siedlungsexperte Holger Magel und Verkehrsexperte Gebhard Wullfhorst von der Technischen Universität München, welche Grontmij und den Landkreis bei diesem Vorhaben beraten, sind vor allem über ein Ergebnis erstaunt, man darf sagen, bestürzt: Der Zustand des öffentlichen Nahverkehrs erachten beide als nicht zeitgemäß. Beide sagen vorher, dass eben dieses Thema der große Schwerpunkt der künftigen Debatten werden wird. Denn wie soll der Landkreis nochmals zehn Prozent mehr Menschen aufnehmen, wenn man aus dem ländlichen Raum schon jetzt mehr als eine Stunde benötigt, um zu den Unternehmen am Rande Münchens zu gelangen? Magel sagte der SZ: "Wenn wir am Mittwochabend noch mehr Zeit gehabt hätten, wäre dieses Problem in aller Schärfe und Wucht formuliert worden."

Kreisbaumeister Georg Meier kann sich insofern durch die Diskussion bestätigt fühlen, als er die Debatte über die Zukunft des Landkreis von vorneherein auf dieses Problem konzentrieren wollte. Nächste Woche beginnen die Bürgerforen. Haimhausens Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU) will beispielsweise alle Vereine und viele Bürger anrufen, "damit wir optimal vertreten sind".

Vier Bürgerforen über die Entwicklung des Landkreises finden nächste Woche statt: Am Mittwoch, 21. März, 17 Uhr in der Maisachhalle in Bergkirchen für die Gemeinden Bergkirchen, Sulzemoos, Odelzhausen und Pfaffenhofen, am Donnerstag, 22. März, 18 Uhr im Sportheim Vierkirchen für Haimhausen, Hebertshausen, Hilgertshausen-Tandern, Petershausen, Röhrmoos und Vierkirchen. Am Mittwoch, 28. März, für Dachau und Karlsfeld, 17 Uhr im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau. Am Donnerstag, 29. März, für Altomünster, Erdweg, Markt Indersdorf und Schwabhausen.

© SZ vom 16.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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