Landkreis:Aufstand der Flüchtlingshelfer

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Waltraud Wolfsmüller engagiert sich im Arbeitskreis Asyl.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Landtagspräsidentin Barbara Stamm lädt Ehrenamtliche in den Landtag ein. Die meisten Bürger aus dem Landkreis boykottieren jedoch den Empfang aus Protest gegen die Asylpolitik der CSU

Von Anna-Sophia Lang, Landkreis

Waltraud Wolfsmüller musste nicht lange überlegen. Als im Sommer die Einladung von Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) zum Empfang für eintausend bayerische Flüchtlingshelfer im Briefkasten lag, entschied die Koordinatorin des Arbeitskreises Asyl Dachau: "Da gehe ich nicht hin." Auch die Ehrenamtlichen aus Erdweg und Schwabhausen kommen an diesem Samstag nicht in den Landtag. Und die Helferkreise im Landkreis, die leer ausgegangen sind, verzichten gerne auf Sekt und Häppchen. "Wir wären auch nicht hingegangen", erklärt Detlef Wiese, Sprecher der Haimhausener Flüchtlingsbetreuer. Die Bürger sind tief enttäuscht von der Flüchtlingspolitik der CSU, deren Generalsekretär Andreas Scheuer vor Kurzem sagte, "das Schlimmste" sei "ein Fußball spielender, ministrierender Senegalese". In den Helferkreisen im Landkreis Dachau fühlen sich viele von den Behörden und der CSU missbraucht. In ganz Bayern boykottieren deshalb Helfer den Empfang.

"Ich habe mich verhöhnt gefühlt", sagt die Dachauerin Waltraud Wolfsmüller. Politiker aus Barbara Stamms Partei fordern Obergrenzen, wollen die Flüchtlinge sanktionieren, wenn sie sich nicht integrieren, sprechen aber gleichzeitig Beschäftigungsverbote aus und beschränken Sprachkurse. Monika Sedlatschek aus Erdweg hat sich, wie sie sagt, über Scheuers Entgleisung "massiv geärgert". Für sie und andere Helfer war sie die Spitze einer in ihren Augen besorgniserregenden Entwicklung: Viele engagieren sich nicht erst seit einem Jahr, als Asylsuchende in großer Zahl nach Deutschland kamen, für die Integration der Geflüchteten. Aber die Politik der CSU wirft sie immer wieder zurück.

Klagen aus allen Helferkreisen

"Wir wollen kein schmückendes Beiwerk für Politiker sein. Jahrelang hat uns niemand beachtet", sagt Dagmar Hendorfer aus Schwabhausen, die sich seit 2011 engagiert. "Jetzt wird der Bürokratiehebel ausgepackt." Viele Helfer klagen über eine Zunahme behördlicher Hürden. So ist geplant, dass sie künftig Vollmachten von den Flüchtlingen benötigen, um überhaupt für sie tätig werden zu dürfen. Hendorfer spricht von einer regelrechten "Überwachung", zu der sich die amtlichen Vorgaben auswachsen. "Wir brauchen keine Einladungen, sondern Unterstützung", sagt deshalb Wolfsmüller. "Wir kämpfen an der Basis, gegen Gesetze, die sich ständig ändern, gegen Hetze und für die Menschen. Die Behörden ziehen sich auf ihre Vorschriften zurück und wir sind mit den Problemen alleine."

Solche Klagen sind aus allen Helferkreisen zu hören. "Wir bekommen so viele Knüppel zwischen die Beine geworfen", sagt Joachim Werner aus Petershausen, "es ist eine mühselige Knochenarbeit." Dabei sei es nicht schwer, die Arbeit der Helferkreise zu erleichtern. "Ich verstehe, dass die Landesregierung überrollt wurde. Aber jetzt ist der riesige Druck weg, da könnte es professioneller zugehen." Beim Angebot von Sprachkursen und berufsqualifizierenden Maßnahmen fehlt ihm Klarheit, auch beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder der Wohnungssuche sieht er Defizite. Außerdem vermisst er einen kompetenten Ansprechpartner im Landratsamt. "Ich habe das Gefühl, dass die Zusammenarbeit im Gutdünken des jeweiligen Landkreises liegt." In Dachau komme es nach wie vor zu Irritationen. "Mitreden und ein gleichberechtigter Partner dürfen wir nicht sein, aber arbeiten sollen wir", sagt Werner. Statt eines großen Empfangs im Landtag hätte er sich einen Runden Tisch gewünscht, bei dem die Helfer ihre Erfahrungen einbringen können.

Auch eine Dachauer Delegation fährt nach Landsberg

Der Verein "Integrationshilfe LLäuft" aus Landsberg am Lech ruft unterdessen alle Flüchtlingshelfer zu einem 24-stündigen Warnstreik auf. An diesem Samstag findet eine Solidaritätskundgebung statt. Auch aus dem Landkreis Dachau haben die Organisatoren Solidaritätsschreiben erhalten. "Es wird Zeit, dass von der bayerischen Staatsregierung die gesetzlichen Grundlagen geschaffen und die finanziellen Mittel bereitgestellt werden, so dass die Integration nicht nur ein oberflächliches Wortspiel bleibt, sondern gelingt", heißt es im Schreiben des Haimhausener Helferkreises. Die Aktion des Landsberger Vereins hat in ganz Deutschland ein Echo gefunden. Vertreter von Vereinen, Initiativen und Institutionen von Freiburg bis Berlin wollen anreisen. Auch eine Dachauer Delegation fährt nach Landsberg.

Nur Peter Barth aus Hebertshausen macht sich auf den Weg in den Landtag. Er hofft, vor den CSU-Abgeordneten zu Wort zu kommen. Leicht wird es ihm nicht fallen. "Das ist nicht meine Partei, das sind nicht meine Leute." Doch genau ihnen und ihrer Präsidentin will er eines sagen: dass es mit der Flüchtlingspolitik so nicht mehr weitergehen kann. "Wenn ich tapfer genug bin."

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