KZ-Gedenkstätte Dachau:Mehr als ein Parkplatz

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Nach jahrelangem Ringen bekommt die Gedenkstätte ein neues und angemessenes Entreé. Die Anlage soll nicht nur funktional sein, sondern auch ästhetisch auf den Besuch des Gedenkorts vorbereiten

Von Helmut Zeller, Dachau

Noch muss der bayerische Landtag zustimmen, aber auf dem Plan sieht der neue Parkplatz der KZ-Gedenkstätte Dachau schon mal perfekt aus. Frühestens Mitte 2017 beginnen die umfangreichen Bauarbeiten für die barrierefreie, fast 30 000 Quadratmeter große Anlage mit mindestens 225 Auto-Stellplätzen und Platz für 42 Reisebusse - erheblich mehr als bisher. Das ist auch nötig. Die Gedenkstätte ist überlaufen. Karl Freller, Direktor der bayerischen Gedenkstättenstiftung, schätzt mittlerweile mehr als eine Million Besucher jährlich. 4,5 Millionen Euro sind im Haushaltsentwurf 2017/18 eingeplant. Viel Geld. Aber niemand rechnet mehr mit einem Einspruch bei den Etatberatungen im Parlament Ende des Jahres. Warum auch? Der Parkplatz gleicht seit vielen Jahren einem Bombentrichter - kein angemessenes Entree für die Besucher der bedeutendsten KZ-Gedenkstätte im Westen Deutschlands.

Nur, bis die zuständigen Ministerien endlich ein Einsehen hatten, sind viele Jahre verstrichen. Schon 2004 hatte die gerade einmal ein Jahr alte Landesstiftung die Sanierung des Areals gewünscht. Doch für den Parkplatz im Süden der Gedenkstätte floss kein Geld. Im Dezember 2007 übernahm der CSU-Abgeordnete Karl Freller die Leitung der Stiftung. Zwei Jahre später bohrte er nach - vergeblich. 2012 dann der erste dringliche Antrag, 2014 wieder einer ohne Erfolg, im dritten Anlauf, im Frühjahr dieses Jahres schließlich ging der gleichlautende Antrag in der Ministerialbürokratie nicht mehr unter. Das hatte einen politischen Hintergrund: Die Staatsregierung will den Ausbau der Dokumentationsstätte Obersalzberg - trotz einer Kostensteigerung von 14 auf 21 Millionen Euro. Die Diskussion darüber nutzte Karl Freller für ein "offensiveres" Vorgehen, wie er sagt. Und er bekam Unterstützung nicht nur aus seiner Fraktion im Haushalts- und Wissenschaftsausschuss, sondern Zustimmung aus allen Fraktionen. Das Geld für den Obersalzberg wurde bewilligt. Da konnte man Dachau schlecht - wieder - im Regen stehen lassen, zumal Holocaust-Überlebende bereits fragten, ob dem Freistaat Bayern der Ausbau von Hitlers ehemaliger Sommerresidenz etwa wichtiger sei als das Gedenken an die Naziopfer? Staatskanzlei, Finanz- und Kultusministerium segneten das Dachauer Projekt ab.

Das Gelände des Parkplatzes hat sich auf einem großen Teil abgesenkt, in metertiefen Löchern sammelt sich das Wasser. (Foto: Toni Heigl)

Der Zustand des Parkareals: schadhafte Beläge sowie Abgrabungen und Auffüllungen bis in drei Meter Tiefe. Das Gelände hat sich auf einem großen Teil abgesenkt und bietet dort keine Parkmöglichkeit mehr; wobei die Kapazität ohnehin seit 2009 schon nicht mehr ausreicht. Bei Regen steht das Wasser in den Schlaglöchern. Im Winter wird das Grundstück für die Besucher zu einer Rutschpartie. "Das ist nun wirklich keine Visitenkarte für eine KZ-Gedenkstätte", sagt Freller. Der Parkplatz soll nun nach Westen bis zum Ufer der Würm vergrößert werden. Bisher bietet er Platz für 32 Busse und 150 Pkws. Er erhält dringend notwendige Toilettenanlagen sowie ein Informations- und Kassenhäuschen.

Wegen der schlechten Tragfähigkeit des Bodens und der Altlasten muss viel Erdreich ausgetauscht werden. Ganz wichtig ist Freller, wie er sagt, dass das gesamte Areal barrierefrei gestaltet wird. Auch die Stadt Dachau profitiert von der Sanierung: Durch die Verlegung der Zufahrt über einen großen zentralen Eingang nach Norden und eine neue Abbiegespur auf der Alten Römerstraße werde die Verkehrssituation an der Kreuzung Robert-Bosch-Straße entschärft, erklärt Freller. Außerdem sollen auf dem Areal auch Parkplätze für das Gedenkstättenpersonal entstehen. Damit entfällt dann deren gefährliche Zufahrt durch ein Tor in der Mauer von der verkehrsreichen Alten Römerstraße aus. Mit den Plänen haben sich die Stadt Dachau und Fachbehörden grundsätzlich einverstanden erklärt, wie das zuständige staatliche Bauamt Freising mitteilt.

Ein Parkplatz ist nicht die ästhetische Herausforderung für Landschaftsplaner und Architekten. Dennoch wollen die Fachleute in der Neugestaltung "eine ästhetische Einheit mit den Bestandsflächen bilden und damit bereits von der Einfahrt auf dem Parkplatz auf den Gedenkstättenbesuch vorbereiten". Eine zentrale Promenade quert den Parkplatz und verbindet den Eingang mit der Fußgängerbrücke, Grünstreifen zwischen den Pkw-Stellplätzen gliedern das Areal; weiter sind viele Baumpflanzungen vorgesehen. Die Bauarbeiten dauern mindestens ein Jahr.

"Ich bin sehr froh", sagte die Historikerin und Leiterin der KZ-Gedenkstätte, Gabriele Hammermann, der SZ. Damit werde der letzte, ausstehende Teil der Neugestaltung mit historischem Zugangsweg und Besucherzentrum endlich abgeschlossen. Sie erinnert daran, dass es doch viele Beschwerden von Besuchern wegen des miserablen Zustands des Parkplatzes gegeben habe. Insgesamt, sagt Hammermann, stelle sie "eine große Offenheit" für Projekte und Bedürfnisse der Gedenkstättenarbeit in Bayern fest. Für Freller ist die Fertigstellung des Projekts ein "Meilenstein" in der Geschichte der KZ-Gedenkstätte, die am 9. Mai 1965 eröffnet worden ist. Sie zähle nach Neuschwanstein und dem Deutschen Museum in München zur meistbesuchten öffentlichen Einrichtung in Bayern. Die drei Pinakotheken etwa hatten 2008 zusammen nur ungefähr 800 000 Besucher.

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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