KVD-Galerie:Spaziergang im Farbenhain

Katharina Ulke verarbeitet Beobachtungen und Eindrücke in abstrakten Gemälde und Druckgrafiken. In der KVD-Galerie kann man erleben, wie sich daraus vor dem Auge wieder Landschaften und Szenerien schälen

Von Gregor Schiegl, Dachau

Katharina Ulke ist eine emsige Sammlerin. Sie sammelt Erinnerungen und Eindrücke, sie sammelt Farben und Formen, sie sammelt die Farbe des Wassers, in dem sich die Lichter des Ufers spiegeln und sie sammelt die Schatten, die sie beim Spazierengehen wirft. Es ist eine fortwährende Vermessung der Welt im Dienste der Kunst. In ihren Bildern scheinen eingefangenen Momente wieder auf, was umso faszinierender ist, als Katharina Ulkes Malereien und Druckgrafiken auf den ersten Blick alles andere als gegenständlich erscheinen. Die Ausstellung "mittendrin" in der KVD-Galerie zeigt die aktuellen Arbeiten der Münchner Künstlerin.

Obwohl sie in Dachau die Schulbank gedrückt hat, genauer gesagt auf dem Josef-Effner-Gymnasium, taucht das Wort "Dachau" in ihrer Vita offiziell nicht auf: "Katharina Ulke, geboren 1969 in Düsseldorf, arbeitet als freischaffende Künstlerin in München und am Ammersee. Sie studierte Malerei und Grafik an den Akademien der Bildenden Künste in München und Athen", heißt es in ihrer Selbstbeschreibung. Und Dachau, naja, das ist so ein altes Kapitel. "Ich bin damals mit wehenden Fahnen von hier fort", erzählt Katharina Ulke. Und nun gibt es ein Wiedersehen mit einem Ort ihrer Jugend, von dem noch so vieles gegenwärtig ist und manches wie ausgelöscht.

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"Night on Earth" heißt die Serie expressiver Radierungen, die derzeit in der KVD-Galerie zu sehen sind.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Das ist insofern mehr als nur eine Reminiszenz und lokale Randnotiz, als es gerade die Erinnerungen und oft erst nachträglich wieder wachgerufenen Sinneseindrücke sind, die in Ulkes Arbeiten einfließen. "Ich mache eigentlich immer das Gleiche: Ich arbeite mit Beobachtungen und Eindrücken, die ich aus dem Kontext löse. Ich verändere nur jeweils die Verpackung."

Was das zu bedeuten hat, wird schnell klar, wenn man ihre Arbeiten betrachtet, die großformatigen Gemälde oder auch die kleineren Lithografien und Kaltnadelradierungen. Oft zeigen ihre Bilder horizontal angeordnete Farbflächen, die einander zum Teil überlagern und die andere Farbtöne durchscheinen lassen. Der Mensch ist von Natur so angelegt, dass er auch im Fremden und Abstrakten nach bekannten Mustern sucht; die waagerechten Linien sortieren sich so schnell zu Räumen, zum Horizont, zum Meer, zur grün bewucherten Landzunge, und Farbtöne wie Sandgelb oder Eisblau verorten diese Szenen wahlweise an der Riviera oder am Nordmeer. Diese Mechanismen macht sich Katharina Ulke gezielt zunutze. "Ich mische Farben und Momente."

Katharina Ulke glaubt an einen universellen Bilderschatz im menschlichen Bewusstsein, den jeder anzapfen kann. Dabei geht es nicht um ein Dechiffrieren der Bilder wie man es bei einem Geheimtext tut - hier Blindtext, dort Klartext. Es bleibt Raum für eigene Assoziationen und Deutungen. Dieses Spiel mit den Möglichkeiten macht viel von dem Reiz aus, die Übereinstimmungen, aber auch die Abweichungen. Man könnte auch sagen, das "Mittendrin". Imagination und Wahrnehmung überlagern sich hier ohne scharfe Grenze.

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Künstlerin Katharina Ulke.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Viele Arbeiten sind als Serien angelegt, die durchdeklinieren, wie die Veränderung von Farbnuancen, von Linien und Texturen den gesamten Charakter verändern. Das sieht man besonders schön an der Reihe "Night on Earth", die mit gebrochenen Linien und sehr reduzierten Farben arbeitet. Die Darstellungen oszillieren zwischen Beschaulichkeit und Unruhe, zwischen Zerrissenhaut und Harmonie wie eine Spiegelung in einem nächtlichen Hafenbecken. Zwei Drucke zeigen den Himmel, einmal als lichte, nur von ein paar Wolkenlinien zerkratzten abendroten Weite. In einer anderen, nur geringfügig abweichenden Version, verdichten sich die Luftschichten wie aufeinandergepresste Sedimente.

Dieses Wechselspiel der Gegensätze wirkt in Ulkes Malerei wie der Kontrapunkt in der Musik. Es erzeugt eine Spannung - von Form und Farbe, von Transparenz und Massivität, von fast architektonisch streng anmutender Geometrie und organischen Strukturen. "Man kann in den Bildern spazieren gehen", sagt Katharina Ulke, und das ist ein schönes und treffendes Bild, weil es zeigt, wie anstrengungslos diese Werke sich dem Betrachter öffnen, wenn man ihnen nur ein bisschen Zeit widmet.

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Gesammelte Formen und Farben, festgehalten mit Ölkreide.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Katharina Ulke: Mittendrin. Ausstellung in der KVD-Galerie. Zu sehen bis 10. Juni. Öffnungszeiten Donnerstag bis Samstag, 16 Uhr bis 19 Uhr, Sonntag, 12 Uhr bis 18 Uhr. Am Sonntag, 27. Mai, findet um 15, 16 und 17 Uhr jeweils eine kleine Lesungen der Münchner Autorin Edith Wiegel statt mit skurrilen Geschichten, die Themen einzelner Bilder der Ausstellung aufgreifen.

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