KVD-Galerie:Grüße aus der Parallelwelt

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Die Ausstellung "Expedition zur Südgurke" von Johannes Karl und Florian Athanatos-Baumgartner vereint ästhetische Experimente mit kreativem Schabernack und subtiler Gesellschaftskritik

Von Gregor Schiegl, Dachau

Man sollte meinen, der weltanschauliche Streit um die Gestalt der Erde sei längst beigelegt, aber im Netz findet man die erstaunlichsten Enthüllungsvideos: Wahlweise ist die Erde eine Scheibe, eine Hohlkugel oder eine Pyramide. Vielleicht ist sie aber auch eine Gurke, wie man sie in der gemeinsamen Ausstellung von KVD-Chef Johannes Karl mit seinem früheren Kunst-Studienkollegen Florian Athanatos-Baumgartner in der KVD-Galerie bewundern kann: Zwischen die beiden Hemisphären eines Globus ist ein grüner Stoff gespannt, der beliebig erweitert werden kann. Das ist sehr praktisch in einer Welt, in der Natur, Rohstoffe und Boden langsam knapp werden und schick ist es auch. Ein farbenprächtiges Gemälde von Johannes Karl zeigt diesen Gurkenplaneten im Weltraum treibend vor drei Sonnen.

"Expedition zur Südgurke" heißt diese Ausstellung, und wie das so ist bei Expeditionen, bringen die beiden Forscher allerhand Fundstücke mit: Trophäen, Fotos, Skizzen, Artefakte. Hinter dem Glas eines biederen Portrait-Rahmens kann man ein amorphes, embryonal anmutendes, soßenfarbenes Urschleimwesen besichtigen, von dem man nicht so recht weiß, zu was er sich mal entwickeln wird; von der Decke hängt ein Tischventilator und bläst in eine festgeschnallte Mundharmonika, es surrt wie in einer elektrischen Leitung, ganz leise, in C-Dur. Eine Videoinstallation von Florian Athanatos-Baumgartner zeigt eine von unheimlichen Geräuschen begleitete Kamerafahrt durch digitale Landschaften, die Assoziationen an Bäume, Korallen und Flüsse weckt; dann schiebt sich ein grünes, etwas eckig animiertes Alien ins Bild und warnt den Zuschauer, dass er sich auf gefährliches Terrain begebe. Daneben steht eine fast zimmerhohe Fahne deren Design den Insignien des kriegerischen Klingonen-Imperiums aus dem "Star-Trek"-Universum ähnelt.

Digitale Simulationen der Urmenschen blicken auf die Abgüsse von mondartigen Landschaftsoberflächen. (Foto: Toni Heigl)

Man merkt, das ist keine Ausstellung, wie man sie aus gutbürgerlichen Galerien kennt. Karl und Baumgartner verwandeln den Raum in eine künstlerische Parallelwelt, die zwischen subtiler Gesellschaftskritik, exaltiertem Nonsens und futuristischem Ästhetizismus oszilliert, zwischen Kunststück und Schelmenstück, zwischen klassischer Kunst und Popkultur, zwischen Horror und Humor.

Auf dem Boden liegt ein abgerissener Menschenkopf, einfarbig und hohl, vielleicht ist es auch nur eine nicht länger benötigte Tarnmaske eines Aliens. Daneben an der Wand Wachsbilder, in die Johannes Karl seine Vorstellungen vom Weltraumtourismus geritzt hat: Mensch im Raumanzug beim Candle-Light-Dinner vor Sternenkulisse. Oder beim Zähneputzen, wobei der Reisende des Anzugs wegen nur seine Visier schrubben kann. In einer ganzen Serie digital erzeugter Bilder zeigt Florian Baumgartner künstliche Objekte, die oft erstaunlich organisch wirken, vielleicht weil sie mit Formeln der Natur arbeiten, mit Symmetrien, mit fraktalen Strukturen, mit Krümmungen, die porzellanartigen Objekten die Anmutung dickwandiger Schneckenhäuser geben. Das ist Spielerei, aber wie bei Kindern ist es auch eine Spielerei, die dabei hilft, sich die Welt anzueignen, sie für sich begreifbar zu machen. So erklärt Johannes Karl diese "Expedition zur Südgurke" auch nicht mit verschwurbelten Kunsttheorien, sondern mit einem sehr einfachen Vergleich: "Man muss sich dieses Reise so vorstellen, wie wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht."

Da der Mensch nicht nur strebt, sondern auch zu geistiger Faulheit neigt, ist die Verschiebung von Kontext und Perspektive Richtung Südgurke eine gute Stimulans, um nicht nur hinzuschauen, sondern vermeintlich Altbekanntes neu zu entdecken. Das gilt auch für die klassischen Meisterwerke, aus denen Johannes Karl alle Menschen sauber herausretuschiert hat. Hieronymus Boschs berühmter "Garten der Lüste" ist hier nicht mehr das bekannte albtraumhafte Wimmelbild, sondern bietet in seiner Leere und Weitläufigkeit das gediegene Panorama eines Golfplatzes, nur eben im Stil der Renaissance. "Auf diese Weise habe ich diese Bilder auch für mich noch mal ganz neu entdeckt", freut sich Johannes Karl.

Das titelgebende Gemälde der "Südgurke" (Foto: Toni Heigl)

Das Ergebnis ist keineswegs nur künstlerische Nabelschau. Goyas berühmte "Erschießung der Aufständischen" findet ohne französische Soldaten statt, ohne Opfer, ohne Leichen. In einer Zeit, in der es vermehrt Tendenzen gibt, Geschichte nach nationalen Präferenzen umzuschreiben und gegebenenfalls von "Schandflecken" zu säubern, wirkt dieses Bild schon wie eine Warnung. Nur noch eine einsame Laterne erhellt die leere Szenerie, doch Blutspuren zeugen immer noch von der brutalen Mordtat. Dass der Betrachter solche Details eher zufällig entdeckt, macht den subtilen Charme dieser kleinen Ausstellung aus, die heiter, aber doch keineswegs harmlos ist. Besucher sollten genügend Zeit mitbringen. Die Expedition zur Südgurke ist nichts für Eilige.

Expedition zur Südgurke. Vernissage am Donnerstag, 18. Januar, um 19.30 Uhr in der KVD-Galerie. Zur Eröffnung spricht Ramón Grote. Öffnungszeiten Donnerstag bis Samstag, 16 bis 19 Uhr, Sonntag, 12 bis 18 Uhr. Die Ausstellung ist zu sehen bis 12. Februar. Am Sonntag, 4. Februar, gibt es von 14.58 Uhr an ein "Expeditionsfest" mit DJ Tikichef.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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