Kritik von der CSU-Basis:"Wir behandeln Menschen wie Dreck"

Bürgermeister Reischl

"Noch nie wie in der jetzigen Zeit hatte ich so ein Problem damit CSUler zu sein", schreibt Richard Reischl.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Bürgermeister von Hebertshausen im Landkreis Dachau, Richard Reischl, rechnet in einem "Brief an meine CSU" mit seiner Partei ab. Und trifft einen Nerv.

Von Thomas Radlmaier, Hebertshausen

Richard Reischl reicht's. Der Hebertshausener Bürgermeister und CSU-Politiker hat seiner Parteispitze einen Brief geschrieben, der es in sich hat. Mit 613 Wörtern und 4044 Zeichen rechnet er ab mit der Politik der CSU in der Landes- und Bundesregierung. Noch nie sei die CSU weiter von den Menschen entfernt gewesen als jetzt, schreibt er. "Ich höre immer nur das CSU-Bayern-Loblied, doch nie Ansätze oder Verständnis für meine Probleme und deren Lösungen."

Reischl geht es nicht um die Asylpolitik, denn das hätten die Gemeinden mit vielen Ehrenamtlichen alleine geschafft, von der Staatsregierung sei drei Jahre lang gar nichts gekommen. Er zählt stattdessen viele Punkte auf, welche die "Parteioberen" seiner Meinung nach endlich angehen sollte: Probleme beim Ehrenamt, fehlende Fachkräfte in Handwerk und Pflege, zu wenig Personal bei der Polizei, Maut, kaputte Staatsstraßen, "Bürokratie überall". Er könnte noch 400 weitere Argumente nennen, schreibt Reischl. "Doch das Schlimmste ist: Wir behandeln Menschen wie Dreck." Manche in der CSU versuchten, mit Sprache beim Thema Sicherheit zu punkten, doch das lenke nur ab von der Unfähigkeit. "Da oben sitzen viel zu viel, die da einfach nicht hingehören. Die Unfähigkeit war in der Politik noch nie so groß wie jetzt." Er sei konservativ und heimatverbunden. "Doch mich findet man nicht am rechten Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft."

Richard Reischl ist 41 Jahre alt und seit 16 Jahren CSU-Mitglied. Er spricht aus, was viele denken. Er hat den "Brief an meine CSU" am Mittwochabend auf Facebook veröffentlicht. Und einen Internet-Hit gelandet. Bis zum Donnerstagnachmittag haben ihn mehr als 300 Menschen geteilt, mehr als 700 haben ihn mit "Gefällt mir" markiert, unzählige kommentiert. "Hut ab", "meinen Respekt", "danke für die ehrlichen Worte". Reischl sagt der Dachauer SZ einen Tag später: "So etwas habe ich noch nie erlebt." Er habe fast nur positive Resonanz bekommen. Er versteht sein Schreiben als einen "Weckruf". Er sein kein "blinder Parteisoldat". So wie es bisher laufe, könne es nicht weitergehen. "Das ist mir zu weit rechts, damit verlieren wir Leute in der Mitte." Die Politik der Parteispitze schade dem Ansehen seiner CSU in Hebertshausen. "Ich leide darunter, dass wir im Ort als CSUler abgestempelt werden für etwas, was Bundes- und Landespolitiker tun."

"Das versteht keiner mehr. Da sorgst du nur noch für Gelächter."

Reischl ist mit dieser Meinung nicht allein. Laut ihm wollen drei CSU-Gemeinderäte über kurz oder lang ihr Parteibuch zurückgeben. Welche will er nicht sagen. Doch klar ist: Es brodelt gewaltig an der CSU-Basis, auch im Landkreis. Wenige Monate vor der Landtagswahl sind Mitglieder unzufrieden mit dem Kurs von Ministerpräsident Markus Söder, der Flüchtlinge als Touristen bezeichnet, und Bundesinnenminister Horst Seehofer, der sich einen politischen Messerkampf mit der Kanzlerin liefert und nach einem Staatstheater vom Rücktritt zurücktritt. In jüngsten Umfragen sind die Christsozialen auf unter 40 Prozent gerutscht.

August Haas, CSU-Landtagskandidat und Dachauer Stadtrat, hat Reischls Brief nicht gelesen. Aber auch er ist jemand, der sagt, was er denkt. Er merke eine "gewisse Unzufriedenheit". Er spricht von einem "Schlingerkurs", der ihm persönlich stinke. "Das versteht keiner mehr. Da sorgst du nur noch für Gelächter." Peter Felbermeier, CSU-Bürgermeister in Haimhausen, kennt Reischls Brandbrief. "Ich finde total gut, dass er kein Blatt vor dem Mund nimmt. In vielen Dingen spricht er uns Kommunalpolitikern aus dem Herzen." Felbermeier nennt als Beispiel die überbordende Bürokratie, die auch dem Ehrenamt mit vielen Auflagen das Leben schwer mache. Auch er kann Seehofers Heckmeck nicht nachvollziehen. "Meine Wortwahl wäre es nicht." Felbermeier glaubt: "Die große Politik entfernt sich immer mehr von den Bürgern." Das habe aber nichts mit der CSU zu tun, sonder treffe auf andere Parteien zu. Da könne man jeden Bürgermeister fragen, auch in anderen Bundesländern. Nun müsse man endlich umdenken.

Der Dachauer CSU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath hat mit Reischl über dessen Brief geredet. Dass der Hebertshausener Bürgermeister das Schreiben bei Facebook veröffentlichte, begrüßt er nicht. "Ich hätte versucht, intern etwas zu bewegen", sagt Seidenath. Er finde es bedenklich, dass sich die öffentliche Wahrnehmung nur auf ein Thema beschränke. In Söders Regierungsprogramm seien viele wunderbare Ideen, die man bereits umsetze. "Die CSU ist keine Asyl-Partei." Die Menschen hätten die Erwartung, dass man das Thema nun abschließe und sich anderen zuwende.

Nächsten Donnerstag kommt Söder nach Hebertshausen. Er redet im Bierzelt anlässlich des 115. Jubiläums des Katholischen Burschen- und Madlvereins. Er werde den Ministerpräsidenten natürlich empfangen, sagt Reischl. Er sei gespannt, ob Söder auf seinen Brief eingehe. "Ich würde es mir wünschen."

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