Erdweg:Kornspeicher wird Wohn- und Geschäftshaus mit Café

Warum das Ehepaar Zachskorn das Gebäude, das sich wie ein Hochhaus über Erdweg erhebt, eigenhändig saniert und umgebaut hat.

Von Benjamin Emonts, Erdweg

Eine viel befahrene Staatsstraße führt durch die Ortschaft Erdweg im Landkreis Dachau. Für Passanten gab der Ort jahrzehntelang ein tristes Bild ab. Inzwischen aber blüht Erdweg entlang der Straße regelrecht auf. Die historische Tafernwirtschaft aus dem 15. Jahrhundert wurde von Bürgern aufwendig restauriert. Der ehemalige Bahnhof der Linie A ist inzwischen ein zweigleisiger Kreuzungsbahnhof mit S-Bahnverkehr. Schließlich, nur einen Steinwurf entfernt, entzückt neuerdings ein turmhohes Lagerhaus, das zwischen den Bahngleisen und der Staatsstraße thront. Der ehemalige Kornspeicher stand jahrelang leer und zerfiel.

Als die Eheleute Walter und Angelika Zachskorn ihr kleines Segelschiff in dem Haus unterstellten, entdeckten sie das Potenzial, das in den bröckelnden Mauern schlummerte. Sie kauften das Gebäude und begannen, Etage für Etage zu renovieren. Nun, vier Jahre später, wähnen sie sich auf der Zielgeraden. Läuft alles nach Plan, eröffnen die Zachskorns schon zum Münchner Oktoberfest ein Café und zwölf Fremdenzimmer in dem Gebäude.

Imposanter Anblick

Das ehemalige Lagerhaus - übrigens das höchste der gesamten Ortschaft - bietet schon jetzt einen imposanten Anblick. Anstatt in grün, wie damals noch, strahlt die Fassade heute in einem hellen Grauton. Das Dach wurde komplett erneuert, ebenso wie die 86 weiß umrahmten Fenster, mit denen das Gebäude gespickt ist. An der Vorder- und Rückseite des Lagerhauses wurden die historischen Vordächer renoviert und rot gestrichen. Die darunter liegenden Betonrampen blieben erhalten.

Der Vater des ehemaligen CSU-Landtagsabgeordneten Blasius Thätter hatte das Gebäude im Jahr 1950 erbaut. Die Brüder Winfried und Armin Rabl nahmen hier bis Anfang der Neunzigerjahre große Getreidelieferungen entgegen und verkauften Futtermittel, Dünger und Korn.

Zu der zum Bahnhof gewandten Rampe führte ein inzwischen abmontiertes Gütergleis. Die mit Getreide beladenen Waggons wurden am Erdweger Bahnhof entkoppelt und direkt an die Rampe gefahren. An der Rampe an der Gebäudevorderseite lieferten Landwirte aus dem Erdweger Umkreis ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse ab. "Das Gebäude war wirtschaftlich eine große Sache für die Gemeinde. Die dazugehörige Mühle in Oberhandenzhofen war für die Erdweger Hubermühle eine große Konkurrenz", erinnert sich Thätter, der das Haus im Jahr 2010 ersteigerte und zwei Jahre später an die Zachskorns veräußerte.

Es gab bereits Abrisspläne

Für das dörfliche Leben in Erdweg ist die Privatinitiative des Ehepaares eine weitere Bereicherung, darüber sind sich Einheimische wie Kommunalpolitiker einig. Unter Altbürgermeister Michael Reindl gab es bereits konkrete Pläne, wonach das Gebäude abgerissen werden sollte. Das 804 Quadratmeter große Grundstück sollte mit benachbarten Arealen zusammengelegt werden, um Platz für Wohneinheiten zu schaffen. Die Pläne platzten. Thätter verkaufte das baufällige Gebäude schließlich für 160 000 Euro. Er ahnte, dass es bei den Zachskorns in guten Händen sein würde. Dass es das Erdweger Ortsbild schon jetzt bereichert, ist einem kleinen, aber kräftigen Mann zu verdanken. Walter Zachskorn, 53, ein bescheidener, bodenständiger Typ, trägt eine grüne Bauarbeiterhose, als er fachmännisch durch das Gebäude führt. Nach einem kräftigen Händedruck sagt der gebürtige Österreicher: "Es war Liebe auf den ersten Blick." Er meint damit das Haus, das für ihn zu einer Art Lebenswerk geworden ist. Der Mann ist ein Allround-Talent. "Einen wie ihn kann sich jede Frau nur wünschen", schwärmt Gattin Angelika. Gemeinsam betreiben sie im Nachbarort Großberghofen ein gut besuchtes Wirtshaus, die Berghofener Stubn. Tagsüber mutiert der Koch zum nimmermüden Schreiner, Maurer, Zimmerer, Fliesenleger, Dachdecker, Treppenbauer, Heizungsmonteur, Installateur, Steinmetz und Innenarchitekten.

Jeden tag zehn bis zwölf Stunden Schuften

Erdweg: Walter und Angelika Zachskorn ziehen in das von ihnen komplett renovierte Erdweger Lagerhaus selbst ein. Außerdem soll ein Café entstehen.

Walter und Angelika Zachskorn ziehen in das von ihnen komplett renovierte Erdweger Lagerhaus selbst ein. Außerdem soll ein Café entstehen.

(Foto: Toni Heigl)

Zachskorn, das ist kaum zu glauben, hat in nur drei Jahren 1700 Quadratmeter Bauruine eigenhändig in ein modernes Wohnhaus mit zwei großen Wohnungen, einem Café und einem großzügigen Geschäftsraum verwandelt. Zehn bis zwölf Stunden schuftet er täglich auf dem Bau, bevor er abends noch kocht. Sein umfangreiches Wissen, sein handwerkliches Geschick hat er sich autodidaktisch angeeignet. Das Dach hat er mit seinem Bruder eigenhändig erneuert, er hat Wände neu eingezogen und den alten Lastenaufzug durch einen modernen Personenaufzug ersetzt. Weil die umliegenden Feuerwehren keine Drehleiter haben, musste Zachskorn aus Brandschutzgründen ein zwölf Meter hohes Wendeltreppenhaus als Fluchtweg einbauen. Angelika Zachskorn sagt lapidar: "Ein neues Auto für die Feuerwehr wäre uns wahrscheinlich billiger gekommen."

Der Heizungsraum im Keller mutet an wie der Maschinenraum eines Schiffes. Die Wärmeversorgung wird durch eine Luft-Wasserwärmepumpe, einen Holzvergaser sowie eine Gastherme gewährleistet. Den Strom für die Pumpe liefern Fotovoltaikanlagen auf dem Dach, das Wasser wird durch Solarfelder erwärmt. Das Prunkstück des Hauses, die zweistöckige Wohnung im Obergeschoss, beziehen die Zachskorns selbst. Das Badezimmer, das nach oben hin offen ist, wurde in das Schlafzimmer integriert, ebenso wie eine frei stehende Badewanne. Auf dem Fußboden wurde hochwertiges Bambusparkett verlegt, die historischen Balken in den Wohnräumen eisgestrahlt. Aus den Fenstern ergibt sich ein imposanter Blick über den Erdweger Bahnhof, Getreidefelder und die Nachbarortschaft Eisenhofen.

Im Stock darunter hat Zachskorn eine 72 Quadratmeter Eigentumswohnung errichtet, die demnächst vermietet werden soll. Durch die großen Fenster dringt viel Licht. Im Stock darunter - die Zachskorns wurden in ihrer Wirtsstube immer wieder nach Übernachtungsmöglichkeiten gefragt - haben sie zwölf Fremdenzimmer eingerichtet, die in wenigen Monaten bezugsfertig sein sollen.

Café mit 40 Sitzplätzen

Im Untergeschoss, das dürfte die Erdweger freuen, richtet Angelika Zachskorn schließlich ein Café mit 40 Sitzplätzen ein, das später durch einen Wintergarten erweitert werden soll. Neben Frühstück, Kaffee und Kuchen wird es hier auch warme Speisen und einen Mittagstisch geben. Das Lokal soll auch abends geöffnet sein. Der große Lagerraum, in dem früher das Getreide lag, wird künftig als Geschäftsraum dienen. Für welche Branche, ist noch ungewiss. Eine Anwaltskanzlei, ein kleiner Einkaufsmarkt - vieles ist vorstellbar.

Die Zeit drängt. In die Renovierung und den Ankauf des Hauses haben die Zachskorns 1,6 Millionen Euro investiert - Geld, das sie sich größtenteils von Banken geliehen haben. Zachskorn verspürt Druck, wie er ganz offen zugibt. Bereits zum Münchner Oktoberfest sollen die Fremdenzimmer vermietet werden. Die Verträge mit der Gemeinde über den Ankauf von Stellplätzen, der sich lange hinausgezögert hat, liegen inzwischen beim Notar. Im Hohlraum der historischen Rampe, in die früher das Getreide abgeladen wurde, sollen bald Fische schwimmen. Überall in Erdweg keimt neues Leben auf.

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