Konzert:Zwischen Nordamerika und Skandinavien

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Sie zieht die Dachauer in ihren Bann - mal mit schnellen, raffinierten Pickings, mal mit simplen, kräftigen Schlagmustern. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Sofia Talvik nimmt ihr Publikum mit auf Reisen - und teilt mit ihm die Sehnsucht mit Country-Klängen oder zarten Melodien

Von Laura Winter, Dachau

Langsam wird das Licht gedimmt. Die Anwesenden verstummen nach und nach. Zwei Spotlights sind auf die Bühne in der Kulturschranne gerichtet. Sie betritt die Bühne und stellt sich genau in ihre Schnittstelle. Sie streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht, stimmt ihre Akustikgitarre ein letztes Mal. Dann begrüßt sie ihr Publikum. Wenn Sofia Talvik ein Konzert gibt, spielt sie meist allein. An diesem Abend begleiten sie jedoch Regina Mudrich und Martin Zemke aus Bremen mit Geige und Bass. "Heute spiele ich zum ersten Mal mit meinen Bremer Stadtmusikanten", sagt sie und strahlt ihre Band an.

Zu jedem Song, den sie spielt, erzählt Talvik eine Geschichte. Durch die vielen Erlebnisse und Erinnerungen gewährt sie den Zuhörern einen Einblick in ihr Leben und schafft so eine besondere, beinahe intime Atmosphäre. Sie erzählt von Freunden und Familie, ihrem Vater, der ebenfalls Künstler ist. Neben diesen Geschichten sind es vor allem Momente ihrer Tour durch die USA, von denen sie berichtet. Wenn sie von dem Regen auf dem Dach ihres Wohnmobils erzählt und dabei demonstrativ mit den Fingernägeln auf den Gitarrenkorpus trommelt, ist es, als nehme sie ihr Publikum mit, um ihm diese Erfahrung nahe zu bringen. Beschreibt sie die Waldbrände in einem Nationalpark und den Mond, der durch sie blutrot am Himmel zu stehen schien, lauschen die Zuhörer ihr gespannt. Und der ein oder andere hat sich vermutlich dazu hinreißen lassen, dieses Bild selbst vor dem inneren Auge zu erschaffen.

Talvik spielt vor allem Americana und Folk. Mal greift sie zu schnellen, raffinierten Gitarren-Pickings, dann folgt ein simples, kräftiges Schlagmuster. Die zarte Geige von Regina Mudrich fügt sich leicht in das Klangbild ein; Sehnsucht beschreibt das Gefühl, das sie hervorruft, wohl am besten. Martin Zemke unterstreicht mit seinem Bass besonders die sehr rhythmischen Songs. Die beiden Bremer haben eine eigene Agentur. Immer wieder sind sie mit verschiedenen Solokünstlern, meist aus Skandinavien, auf Tour. Jedes Jahr organisieren sie ein neues Projekt. "Sofia haben wir durch Zufall kennengelernt, als sie in einem Café gespielt hat", sagt Martin Zemke. Vor etwa zwei Jahren hatten die beiden die schwedische Singer-Songwriterin zu einer Tour eingeladen. Dieses Mal war es andersherum. "Es ist schön, wenn solche Konzerte so gut funktionieren und die Beziehung wächst", sagt er. Die kleine Band um Sofia Talvik hat drei Stationen, ehe ihre Wege sich wieder trennen: Nach ihrem Konzert in Dachau reisen sie in die Schweiz, der letzte Stopp am Sonntag ist in Stuttgart. Im Anschluss begeben Talvik und ihr Ehemann sich für die nächsten Auftritte wieder nach Amerika.

Trotz ihrer musikalischen Verbundenheit zu Nordamerika mit den vertrauten Country-Klängen, die optimal zu einem Roadtrip passen würden, zeigt die Schwedin an diesem Abend auch ihre skandinavischen Wurzeln. Sie steht allein auf der Bühne, atmet durch, und singt ein altes schwedisches Volkslied, "Min ros, min lilja". Sie wirkt entspannt, als sie mit ihrer klaren Stimme die zarte Melodie singt. Die Zuhörer sind absolut still, man hat das Gefühl, dass selbst ein Atemzug diesen Moment stören würde. Als sie vom Mikrofon zurücktritt, ist sie sichtlich gerührt. Auf der Bühne fühlt sie sich wohl, sie lacht, scherzt mit der Band und dem Publikum. Vor dem Konzert sagte sie leise: "Ich bin immer aufgeregt, bevor ich spiele." Als ehemalige Ruckteschell-Stipendiatin freue sie sich aber sehr, wieder in Dachau zu sein. Auch, wenn sie auf besseres Wetter gehofft habe, sagt sie lachend.

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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