Konzert:Getragen und feierlich

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Das Karlsfelder Sinfonieorchester musiziert im Bürgerhaus

Von Adolf Karl Gottwald, Karlsfeld

Der französische Komponist Claude Debussy war vom zweiten Satz des Violinkonzerts in a-Moll von Johann Sebastian Bach derart begeistert, dass er meinte, man wisse ernstlich nicht mehr, "wie man sich hinsetzen und verhalten soll, um des Anhörens würdig zu sein". Diese Schwärmerei ist wohl ziemlich übertrieben und gewiss nicht wörtlich zu nehmen. Ein Teil des Karlsfelder Konzertpublikums nahm sie vielleicht doch wörtlich und blieb lieber daheim, als sich im Karlsfelder Bürgerhaus etwa falsch hinzusetzen. Dabei hätte man sich dort beim Konzert des Karlsfelder Sinfonieorchesters bequem niedersetzen und auch sitzen bleiben können; denn an diesem Abend gab es nichts, was einen vom Stuhl gerissen hätte - am wenigsten die Wiedergabe des genannten Violinkonzerts von Bach.

Die Solistin, Claudia Bahr, spielte gewiss nicht schlecht, spieltechnisch einwandfrei und sauber, aber die Ausstrahlung eines mitreißenden solistischen Musizierens fehlte. Vielleicht war das sogar so gewollt, um die Eigenart des Barockkonzerts gegenüber den späteren Konzerten der Klassik und Romantik zu betonen. Aber etwas mehr Glanz des Geigentons gegenüber dem von Bernhard Koch heftig angefeuerten Orchester hätte man trotzdem gern erwartet. 1913 schrieb der damals sehr bekannte musikalische Publizist Wilhelm Altmann, Christoph Willibald Glucks Oper "Iphigenie en Aulide" sei "aus dem jetzigen Repertoire leider so gut wie verschwunden", doch der Ouvertüre begegne man noch sehr häufig in den Konzertprogrammen. Das ist mehr als hundert Jahre her, und geändert hat sich seitdem, dass man auch der Ouvertüre nur noch selten im Konzert begegnet. Bernhard Koch aber hat sie auf sein Programm gesetzt, und zwar in der Fassung für großes Orchester von Richard Wagner. Alle von Wagner geforderten 16 Bläser konnte er zwar nicht besetzen, aber was auf dem Konzertpodium versammelt war, war für das Bürgerhaus Karlsfeld absolut genug. Merkwürdig war, dass Koch diese Ouvertüre außerordentlich getragen und feierlich nahm, was an sich nicht seine Art ist. Vielleicht dachte er bei seiner Interpretation an das Nationaltheater in München, wo Glucks Opern hingehören, aber nur sehr selten gegeben werden. Oder er wollte schon zu Beginn seines Konzerts einen Vorgeschmack auf den rheinischen Katholizismus geben, der sich dann in der 3. Sinfonie von Robert Schumann, der sogenannten "Rheinischen", vernehmlich zu Wort meldete.

Bernhard Koch hatte sein Orchester für diese Sinfonie, bei der zwei mit "Lebhaft" überschriebene Sätze drei mäßige einrahmen, sehr gut vorbereitet. Immer wieder wird betont, wie sehr Schumann hier von den im Rheinland empfangenen Eindrücken beeinflusst ist. So hörte man im ersten Satz gar den Waffenlärm der Ritter, die auf den heute verfallenen Burgen hausten, im Scherzo, das mit "sehr mäßig" überschrieben ist, einen Ländler oder sogar ein Menuett, und im letzten Satz allgemein die "rheinische Fröhlichkeit". Bernhard Koch und sein Karlsfelder Sinfonieorchester lieferten eine sehr schöne, in Dynamik und Agogik wie in den Tempi nirgends übertreibende Aufführung. Der mit "Feierlich" überschriebene Satz, der als dritter in recht gemäßigtem Tempo erklingt, war aber sehr wohl "im Charakter einer feierlichen Ceremonie", wie Schumanns ursprüngliche Überschrift lautete. Aber der Katholizismus gehört noch heute ebenso zum Rheinland wie der Karneval, der aber nicht jedermanns Sache ist. Das Karlsfelder Sinfonieorchester, in dem jetzt Claudia Bahr als Konzertmeisterin sehr überzeugend wirkte, musizierte in allen Sätzen eher zurückhaltend und sehr geschmackvoll. Der Walzer aus dem Ballett "Coppelia" von Leo Delibes war eine willkommene Zugabe.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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