Konzert der Preisgekrönten:Von wegen "No Education"

Die Bluestrings aus Fürstenfeldbruck sind wie der Kulturverein Erdweg SZ-Tassilopreisträger. In dem Konzert im Tafernsaal spielen sie den Pink-Floyd-Hit in dem Bewusstsein, dass ihr wunderbares und perfektes Spiel eine sehr gute Schulung voraussetzt

Von Adolf Karl Gottwald, Erdweg

Der Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung, genauer gesagt, die Tassilo-Preisverleihung hat sie zusammengebracht: den Kulturverein in Erdweg und die Bluestrings aus Fürstenfeldbruck. Eine preisgekrönte Initiative und ein preisgekröntes junges Ensemble - das musste ein Krönungskonzert (nicht von Mozart) ergeben, zumindest die Krönung des Kulturprogramms im Tafernsaal des Gasthauses am Erdweg. Also: Ausverkauft und ein Riesenerfolg. Man kann nicht einmal sagen, dass die Erwartungen erfüllt oder gar übertroffen wurden; denn man wusste ja unter den Zuhörern in Erdweg zunächst nicht, was von dem Konzert zu erwarten war. Der Preis allein machte neugierig.

Die Bluestrings sind ein junges, man kann sogar sagen, ein sehr junges Streicherensemble, das der Kreismusikschule Fürstenfeldbruck einerseits entwachsen ist, aber andererseits von ihr den Nachwuchs geliefert bekommt. Das Ensemble besteht aus rund zwölf jungen Geigerinnen und Geigern (mit zwei Viola-Spielerinnen), vier Cellistinnen, einer hervorragenden, temperamentvollen Schlagzeug-Spielerin und einem jungen Mann am Kontrabass. Frank Wunderer konnte sie - und das kann er immer noch - zum Üben (sehr schwer) und zum gemeinsamem Musizieren begeistern. Sein Rezept ist nicht Haydn und Mozart (wie bereits festgestellt), sondern Blues, Swing, Jazz.

Bluestrings

Die Bluestrings im historischen Tafernsaal des Wirtshauses am Erdweg.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Da tritt also eine Streicher-Bigband auf und präsentiert zunächst eher gefälligen, im Vergleich zu dem, was dann folgt konventionellen Jazz. Charlie Parker und Burton Lane, Duke Ellington sind die Komponisten dieser Richtung. Die Ältesten unter dem Publikum durchwegs gereifteren Alters erinnerten sich vielleicht an Helmut Zacharias, den ersten großen Jazzgeiger in Deutschland. (Dieser Vergleich ist als großes Kompliment aufzufassen.) Vom ersten Stück an wird die Besonderheit der Bluestrings demonstriert.

Nach einer ersten Vorstellung eines Stückes durch die ganze Band werden beim Jazz bekanntlich Soli ("Solochorusses") erwartet. Frank Wunderer hat das so eingerichtet, dass nach und nach außer den Cellistinnen jede und jeder zum Solochorus antreten und Beifall einheimsen darf. Diese Soli sind meistens so kurz, dass für Aufregung oder gar Herzklopfen keine Zeit bleibt. Außerdem kommt man im Laufe des Abends immer wieder dran und wird damit immer sicherer - im Auftreten wie im solistischen Spielen. Die Stimmung, ja die Begeisterung im Publikum wächst, was bekanntlich Solisten und Bigband enorm animiert.

Frank Wunderer

Frank Wunderer ist Gründer der Bluestrings, Lehrer an der Musikschule Fürstenfeldbruck und Dirigent.

(Foto: Privat/oh)

Die jungen Bluestringler sagen ihre Stücke selbst an, und ein Blick auf das Programm bestätigt: Alles, was hier zum Besten gegeben wird, ist eigenes. Die Stücke von Charlie Parker, Burton Lane, Chick Corea, Bob Carleton und Duke Ellington hat Paul Bremen, ein Bluestringler der ersten Stunde, arrangiert, andere stammen von Florian Sonnleitner (ebenfalls Bluestringler der ersten Stunde und nicht zu verwechseln mit dem Münchner Konzertmeister Florian Sonnleitner, den man eher als Bach- und Mozart-Spezialisten kennt).

Lisa Istenes und Kati Neumaier spielen in der aktuellen Besetzung und durften ihre gemeinsamen Erstlingswerke vorstellen. Das eine heißt "Los Raupos", das andere fragt: "Where is the main street?" Das Entscheidende und Bewundernswerte ist, dass diese Stücke mit allen Variationen der Solochorusse alles andere als schülerhaft sind, sondern sich sogar neben Charlie Parker sehen, also hören lassen können. Der Bigband-Streichersound ist perfekt, er wurde im Laufe des Abends immer dichter und schließlich geradezu umwerfend.

Das letzte Stück des Programms hieß "No Education" von Pink Floyd, aber das ist irreführend. Dieses, in seiner Art perfekte Musizieren beruht auf gründlicher "Education", schon die Bogenführung und Tongebung ist bei allen Streichern auffallend gut und einheitlich. Frank Wunderer ist offenbar ein fantastischer Lehrer der Kreismusikschule Fürstenfeldbruck. So etwas hat Dachau nicht. Dachau ist ja die einzige größere Stadt in Bayern, die weder eine Kreis- noch eine städtische Musikschule hat, und von nichts kommt bekanntlich nichts. Vergangenes Jahr erhielt der Erdweger Kulturverein den Tassilo-Hauptpreis für den Aufbau des historischen Wirtshauses als Kulturzentrum. Und die Bluestrings wurden für ihre Qualität und Kontinuität ausgezeichnet.

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