Kommentar:Wo bleibt die Solidarität?

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Um am Krankenhaus Dachau einen Tarifvertrag mit Mindeststandards der Pflege durchzusetzen, braucht es Geschlossenheit. Dazu allerdings sind die Ärzte noch nicht bereit

Von Wolfgang Eitler

Von der Gesundheitspolitik des Bundes können Pflegekräfte und Ärzte am Dachauer Klinikum nichts erwarten. Die Kosten für jedes Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind seit 1995 um 63 Prozent gestiegen wie auch das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland. Aber die beitragspflichtigen Einkommen wuchsen nur um 33,6 Prozent, was einem realen Einkommensverlust in den vergangenen 20 Jahren entspricht. Die Reaktion der Politik in Berlin lautet: Rationalisierung. Eine Expertengruppe legte diese Woche ein Gutachten in Berlin vor und empfahl eine radikale Schließung von Kliniken, auch in Ballungsräumen wie München.

Der Druck auf die Krankenhäuser wächst. Insofern ist dem Dachauer Helios-Geschäftsführer Christoph Engelbrecht zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, dass er sich nur um "die hausgemachten Probleme" kümmern kann, nicht aber um die rigorosen Vorgaben, welche die Politik setzt. Im Falle der Helios Kliniken GmbH in Berlin liegt indes der Schluss nahe, dass diese hausinternen Probleme krass sind.

Wenn es mehr Menschlichkeit gäbe und mehr Empathie am Dachauer Klinikum, wäre schon viel gewonnen. Dann würde das Wohlbefinden der Belegschaft, die Identifikation mit dem Unternehmen und damit die Leistungsfähigkeit zusammenfinden. Dann würde der Maßstab der Umsatzrendite von, wie SPD-Kreisrat Heinz Eichinger erfuhr, anvisierten 15 Prozent revidiert. Aber der Anspruch der Pflegekräfte an ihre Arbeit liegt weit über den Bedingungen, die Helios zulässt.

Jetzt bleibt nur die Hoffnung, dass Kreispolitik und Belegschaft einen neuen Tarifvertrag mit Mindeststandards der Pflege durchsetzen. Dazu braucht es allerdings eine Geschlossenheit, zu der die Ärzte am Klinikum noch nicht bereit sind. Sonst hätte deren Sprecher, Chefarzt Horst-Günter Rau, mehr zu sagen, als auf die Sofortmaßnahmen der Geschäftsführung zu verweisen. Diese Miniziele sind nicht mit den Ansprüchen eines Tarifvertrags vereinbar, der die Arbeitsbedingungen entscheidend verbessern will. Daran sollten die Ärzte ein großes solidarisches Interesse haben. Die schärfsten Kritiker eines Pflegenotstands in Dachau heben die herausragenden medizinischen Leistungen der Klinik hervor. Die Pflegekräfte würden gerne mithalten und auch auf sich stolz sein können.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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