Integrationsgesetz:Unnötige Sanktionen

Das geplante Integrationsgesetz schreibt Flüchtlingen die Teilnahme an Sprachkursen vor. Doch im Landkreis Dachau fehlt es an Angeboten

Von Anna-Sophia Lang

Der Entwurf für ein Integrationsgesetz auf Bundesebene löst im Landkreis vor allem eines aus: Ratlosigkeit. Niemand kann absehen, was die geplanten Regeln wirklich für die Menschen bedeuten werden, die in Dachau und den umliegenden Gemeinden Schutz gefunden haben. Das ist kein Wunder, denn der Entwurf ist schwammig. Er lässt Spielraum für Interpretation. Integration wird daran gemessen, wie gut ein Flüchtling Deutsch spricht und ob er seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten kann. Doch selbst, wenn man die Definition ausweitet: Integration kann man nicht messen. Sollen Mitarbeiter von der Ausländerbehörde herum gehen und Flüchtlinge fragen, wie viele deutsche Freunde sie haben? Ob sie Brezn essen, Dahoam is Dahoam schauen und bei der Europameisterschaft die deutsche Nationalmannschaft anfeuern? Wenn in dem Gesetzesentwurf die Rede von "Integrationsanreizen" ist, klingt er mehr nach Assimilation als nach Integration: Passt euch an, wenn ihr schon das Glück hattet, von uns aufgenommen zu werden.

Eine arrogante Einstellung, die sich bei der völkerrechtlich umstrittenen Wohnsitzzuweisung fortsetzt. Eine Residenzpflicht gilt bisher nur für Geflüchtete, deren Asylverfahren noch läuft. Nach drei Monaten fällt sie weg. Es wäre eine beunruhigende Verschärfung, wenn die Wohnsitzzuweisung für anerkannte Flüchtlinge kommt. Landrat Löwl hat für die Umsetzung im Landkreis schon eigene Pläne. Wer am staatlichen Fördertopf hänge, müsse akzeptieren, an Orte verlegt zu werden, wo "die Integrationsperspektive gut ist", findet er. Konkret bedeutet das: Eine Familie soll gefälligst damit zufrieden sein, von Altomünster nach Pfaffenhofen verlegt zu werden. Dort gibt es ja schließlich einen Busanschluss.

Ziemlich genau ein Fünftel der Asylsuchenden im Landkreis könnte von den Sanktionen getroffen werden, die denen drohen, die keine Integrationskurse besuchen. 1800 Menschen leben insgesamt in den Unterkünften, etwa 360 haben einen Platz. Gemessen an der Gesamtzahl sind das nicht viele. Trotzdem wäre es naiv zu denken, das geplante Gesetz sei nur Show. Es öffnet die Tür für weitere Verschärfungen. Dass Landrat Löwl sie befürwortet, wundert nicht. Er folgt damit der wenig humanen Linie seiner Partei. Tritt das Gesetz in Kraft, werden Hunderttausende Menschen in Deutschland unter den Generalverdacht der Integrationsverweigerung gestellt. Das wahre Problem ist aber nicht eine mangelnde Integrationsbereitschaft, sondern das mangelnde Integrationsangebot.

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