Kommentar:Den Schlussstrich verhindern

Das Gedenken an den Holocaust musste in Deutschland hart erarbeitet werden. Organisationen wie Aktion Sühnezeichen Friedensdienst helfen auch in Dachau seit 50 Jahren, das Erkämpfte zu bewahren und darauf aufzubauen

Von Viktoria Großmann

Gedenken macht Arbeit. Es muss sich behaupten gegen das Vergessen, gegen das Ausblenden, gegen das Weichzeichnen. Es muss sich zur Wehr setzen gegen Verleumdung und vor allem kämpft es gegen die Zeit. Je länger es dauert, desto mehr wird es in Frage gestellt und umso wichtiger wird es. Zu Jahresbeginn gab die Bertelsmann-Stiftung bekannt, in einer Studie von 58 Prozent der Befragten Zustimmung bekommen zu haben, zu der Aussage, es müsse ein Schlussstrich unter die Geschichte gezogen werden. Ein Schlussstrich unter den Holocaust, unter Auschwitz, unter Buchenwald und Dachau.

Als die ersten Jugendlichen sich für den Friedensdienst meldeten, hatten sie gegen ihre Eltern zu kämpfen, die von der Geschichte, von der eigenen Schuld nichts wissen wollten. Heute sind es die Kinder dieser ersten Freiwilligen, die Angst haben, dass ihre Kinder zu traurig werden, wenn sie die Gedenkstätte besuchen oder gar ein ganzes Jahr in Dachau verbringen, im Zeichen der Versöhnung. Doch die jungen Menschen sind nicht traurig. Sie sind neugierig, empört, aufgewühlt, manche pflichtbewusst. Auch die beiden neuen Freiwilligen werden an Gedächtnisblättern arbeiten und die Biografien von KZ-Häftlingen bewahren. Es wird bald der einzige Zugang zu individuellen Erinnerungen sein.

Das Gedenken an den Holocaust und an jede einzelne Opfergruppe musste in Deutschland erkämpft, erstritten, hart erarbeitet werden. Organisationen wie Aktion Sühnezeichen stehen dafür, dass das Erkämpfte bewahrt und darauf aufgebaut wird. Der Friedensdienst will nicht Schuld abtragen, denn diese lässt sich nicht verkleinern. Sondern Grundlagen für Frieden schaffen. Der Erfolg zeigt sich daran, dass die Jugendlichen heute in Dachau herzlich empfangen werden, sie, die gekommen sind, einen Schlussstrich zu verhindern.

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