Kommentar:Das Land - keine Insel der Seligen

Der gesellschaftliche Wandel macht auch vor den Dörfern nicht Halt: Ausgaben für die Jugendhilfe steigen nicht nur in den Metropolen, sondern auch in den Landgemeinden

Von Robert Stocker

Sozial auffällige Jugendliche sind ein Problem, das nicht nur in Metropolen oder größeren Städten zu finden ist. Das geht aus der Sozialraumanalyse für den Landkreis hervor. Brennpunkte gibt es auch zunehmend auf dem flachen Land. In der Gemeinde Weichs ist die Quote von Jugendlichen, die Jugendhilfeleistungen in Anspruch nehmen, sogar höher als in Dachau und Karlsfeld. Die Gründe dafür sind noch unbekannt.

In den Großstädten liegt das Problem auf der Hand. Viele Eltern können oder wollen sich nicht mehr intensiv um die Erziehung ihrer Kinder kümmern, weil die Lebenshaltungskosten in einer Metropole wie München exorbitant teuer sind. Vater und Mutter müssen den ganzen Tag arbeiten, um den Unterhalt für die Familie zu sichern. Soziale Bindungen sind in Schlafstädten schwierig, wo die Menschen zwar Tür an Tür, aber anonym in Wohnbunkern leben. Kommunikation findet nicht mehr bei einer persönlichen Begegnung statt, sondern über das Internet und die sozialen Medien. Mobbing ist an der Tagesordnung. Eine menschliche Verarmung, die Folgen hat.

Der gesellschaftliche Wandel hat aber nicht vor dem flachen Land halt gemacht. Die Sozialraumanalyse ist ein Beleg dafür. Schon die Expertise für die Jahre 2011 bis 2013 gab die Empfehlung ab, an den Grundschulen in Dachau-Ost und Dachau-Augustenfeld, Weichs, Petershausen, Altomünster und Markt Indersdorf Jugendsozialarbeit anzubieten. Bezirkstagspräsident Josef Mederer ist überzeugt davon, dass die sozialpädagogische Hilfe an Schulen zum Regelfall wird. Der Begriff Brennpunktschule sei überholt.

Die Zahl der Jugendhilfeleistungen in einer Gemeinde ist im übrigen kein eindeutiges Indiz dafür, dass hier besonders viele einkommensschwache Menschen leben. Es gibt auch gut verdienende Eltern, denen Karriere und Statussymbole wichtiger sind als der Umgang mit ihren Kindern. Für die Erziehung seien schließlich Kindergärten und Schulen da. Wer so denkt, muss sich über die aktuelle Entwicklung nicht wundern.

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