Klassisches Konzert:Exquisiter Genuss

Blumes klassische Harmoniemusik

Ein Konzert der Spitzenklasse präsentiert Blumes Klassische Harmoniemusik trotz nahezu leerer Ränge in der Kulturschranne.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Blumes Klassische Harmoniemusik ist ein Geheimtipp. Das Ensemble überzeugt mit aparten Klängen und spritzigen Einführungen

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Die Freunde der klassischen Musik in Dachau sind zu beneiden. Sie haben nicht nur im prächtigen Festsaal des Schlosses Konzerte mit erstklassigen Künstlern aus aller Welt, auch die eigenen Solisten, Ensembles und Chöre können sich hören lassen. Die Krone aber ist "Blumes Klassische Harmoniemusik", ein professionelles Ensemble, musikalisch und spieltechnisch Spitzenklasse, doch zugleich ein absoluter Geheimtipp. Dieser Dachauer Geheimtipp ist sogar derart geheim, dass bei seinem diesjährigen Dachauer Konzert in der Kulturschranne das sehr seltsame Ergebnis 9 : 9 (neun zu neun) erzielt wurde: Neun hervorragende Musiker spielten vor einem Publikum von nur neun Musikfreunden, die den äußerst erstaunlich bescheidenen Eintritt von zwölf Euro berappt hatten.

Die Klassische Harmoniemusik ist ein exquisites Ensemble in der Besetzung von zwei Klarinetten, zwei Oboen, zwei Hörnern, zwei Fagotten und Kontrabass, das vor allem in der Zeit der Wiener Klassiker, also Haydn, Mozart, Beethoven, große Musik in kleinere Fürstenhöfe brachte. Die große Musik war schon damals die Oper. Also arrangierte man nach jedem Opernerfolg die Musik für die Klassische Harmoniemusik, um sie in dieser Form auch an Orte und Höfe zu bringen, die nur so Zugang zur Oper hatten. Leopold Mozart ermahnte seinen Sohn, die Oper "Die Entführung aus dem Serail" schnellstens für Harmoniemusik zu arrangieren, damit ihm dieses offenbar gute Geschäft nicht von einem anderen weggenommen werde. Heutzutage produziert man zu diesem Zweck CDs.

Das "handverlesene" Publikum in der Dachauer Kulturschranne kam in den höchst raren Genuss, die musikalisch interessantesten Stücke aus dem "Barbier von Sevilla" von Gioachino Rossini und sogar etwa die Hälfte von Beethovens "Fidelio" in der Fassung für Klassische Harmoniemusik zu hören. Es war ein wahrhaft exquisiter Genuss, zumal die Arrangements des böhmischen Klarinettisten Wenzel Sedlak so gut gelungen sind, dass sogar Beethoven damit zufrieden war, und das will etwas heißen.

Hans Blume leitete sein Ensemble, spielte darin die Erste Klarinette und gab sehr spritzige Einführungen in die Opern, die er für sein Programm ausgewählt hatte. Allein diese Einführungen etwa im Stil von Loriot sind ein Genuss. Blume sieht etwa den Vorteil der Bläserfassungen nicht zuletzt darin, dass man sich dabei endlos lange, noch dazu in einer Sprache, die man nicht versteht, gesungene Rezitative nicht anhören muss. Ja überhaupt bleibe man von fragwürdigen Operntexten verschont und könne so die Musik ungetrübt genießen. Die beiden Opern ohne Text waren ein Hochgenuss, die Ausführung so gut wie das Arrangement (also wäre selbst Beethoven zufrieden gewesen), der Reiz des Bekannten war gepaart mit dem Reiz des klanglich Neuen und Aparten. Das Besondere der Klassischen Harmoniemusik ist ihr Reichtum an Klangfarben. Wie anders klingt ein von der Oboe vorgetragenes Thema, wenn es die Klarinette übernimmt. Wie verschiedenartig klingen die Kombinationen der einzelnen Instrumente untereinander.

Zu Beginn des Konzerts spielte Blumes Klassische Harmoniemusik eine viersätzige Originalkomposition des Beethoven-Zeitgenossen Antonio Casimir Cartellieri. Der letzte Satz war mit "alla Cosacca" überschrieben. Er bestand aus Thema mit Variationen, die jedem Instrument, vor allem aber der Klarinette, Gelegenheit geben, sich virtuos darzustellen. Die Meinung des schwäbischen Publizisten Schubart: "Es lässt sich leicht erachten, was so eine Musik, von einem Pulk Kosaken gesungen, für eine gräuliche Wirkung tun müsse", teilte Carellieri offenbar nicht. Auch in der Dachauer Kulturschranne hatte man eine gute Meinung vom Musizieren "alla Cosacca". Hans Blume sagte: "Hätte es damals bereits Hitparaden und Charts gegeben, wären die Arien aus 'Fidelio' von Beethoven und 'Der Barbier von Sevilla' von Rossini mit Sicherheit auf den ersten Plätzen gewesen." Er wusste aber auch, dass die beiden herausragenden Bläsersinfonien von Cartellieri und Franz Krommer "Highlights" seines Programms waren. Das große Nonett von Franz Krommer stellte sich sogar nach Musik von Rossini und Beethoven als kompositorischer Höhepunkt des Programms dar. Auch das will etwas heißen, obgleich Beethoven bei Krommer anderer Meinung war.

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