Klassik:Wahrhaft großer Konzertabend

Klassik: Victor Bolarinwa stellt mit der Sinfoniette auch diesmal wieder seine glückliche Hand unter Beweis.

Victor Bolarinwa stellt mit der Sinfoniette auch diesmal wieder seine glückliche Hand unter Beweis.

(Foto: Toni Heigl)

Die Sinfonietta Dachau bietet musikalischen Hochgenuss

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven im Programm eines Konzertabends, das war bis vor kurzem immer so: der angeblich leichtgewichtige Haydn am Anfang, wie zum Einspielen, dann erst ein meist romantisches Instrumentalkonzert und zum Schluss die mächtige Beethoven-Sinfonie. Beim Frühjahrskonzert der Sinfonietta Dachau war die Programmfolge anders: zum Beginn eine Beethoven-Ouvertüre und die Haydn-Sinfonie als krönender Abschluss - und das war absolut richtig so.

Die Sinfonie Nr. 101 D-Dur von Joseph Haydn, eine seiner zwölf großen Londoner Sinfonien, die Victor Bolarinwa für diesen Konzertabend ausgesucht hat, ist kein Einspielstück, keine niedliche Musik, was der tändelnde Beiname "Die Uhr" nahelegt, sondern ein wahrhaft großes, hochbedeutendes sinfonisches Werk, das seinen Platz als Höhepunkt des Konzertprogramms beansprucht. Der erst Jahre nach der Uraufführung aufgekommene Beiname "Die Uhr" - in London, wo im März 1794 Haydns D-Dur-Sinfonie Nr. 101 zur ersten Aufführung kam, war er noch nicht bekannt- ist problematisch. Er lenkt die Zuhörer auf das originelle Tick-Tack der Begleitfigur im zweiten Satz und verleitet dazu, die unerhört große Komposition der ganzen Sinfonie und ihre melodischen und harmonischen Schönheiten weniger zu beachten. Dem widersetzte sich aber die großartige Aufführung dieser Sinfonie unter der Leitung von Victor Bolarinwa.

Von den Takten der langsamen Einleitung zum ersten Satz an ließ sie Außerordentliches, Großes erwarten. Haydn (und mit ihm Bolarinwa) lösten dieses Versprechen glänzend ein. Diese Sinfonie ist, wie alle großen Haydn-Sinfonien, für fast alle musikalischen Ohren geschaffen, für die es mit Fachwissen beladenen Ohren des Kenners, der die hohe Kunst und Feinheit der Komposition bewundert, wie für die des für die Schönheit klassischer Musik aufgeschlossenen Laien, der die Anmut und Mannigfaltigkeit der musikalischen Wendungen, der herrlichen Harmonien und der bezaubernden Klangwirkungen der Instrumentation einfach genießt. Wer dafür kein Ohr hat, ist ohnehin nur zu bedauern. Victor Bolarinwa hat ein Ohr für Joseph Haydns Musik, er versteht und liebt sie und kann als Dirigent sein Verständnis und seine Liebe voll auf sein Orchester übertragen - wo er wohl offene Türen einrennt. Das gehört zum Erfreulichsten des ganzen Dachauer Konzertlebens und machte gerade diesen Abend zum musikalischen Hochgenuss.

Angefangen hat es, wie bereits erwähnt, mit Beethoven, und zwar mit dessen Ouvertüre zu Collins Trauerspiel "Coriolan". Auch hier war die Aufführung von Anfang an auf Größe angelegt. Dirigent und Orchester begannen ungemein konzentriert und hielten ihre Konzentration und Hochspannung durch. Die sinfonische Anlage dieser Ouvertüre konnte ihre Wirkung voll entfalten. Beethovens "Coriolan"-Ouvertüre wurde bezeichnenderweise nicht als Ouvertüre zum Trauerspiel uraufgeführt, sondern im März 1807 im Rahmen eines Konzerts in einem Wiener Adelspalais, und erst am 24. April der Aufführung von Collins Trauerspiel vorangestellt. Bolarinwa betonte daher die sinfonische Anlage der Komposition, das Orchester war offenbar sehr gut vorbereitet und die Aufführung geriet glänzend.

Eine besonders glückliche Hand hatte Victor Bolarinwa diesmal auch mit der Wahl eines Instrumentalsolisten. Sie war auf den jungen Hornisten Sebastian Taddei aus Bozen gefallen und erwies sich als ideal. Taddei spielte mit der Sinfonietta Dachau das erste Hornkonzert von Richard Strauss absolut souverän, als ob dieses mit Schwierigkeiten gespickte Werk für ihn etwas Alltägliches wäre. Die Zuhörer im Dachauer Schloss - es hätten ein paar Dutzend mehr sein können - genossen die bezaubernde spätromantische Musik des jungen Richard Strauss in vollen Zügen, denn das Können, die Musikalität, die Ruhe und die Ausstrahlung des Solisten erlaubten es. Wenn man nach einem so wahrhaft großen Konzertabend noch eine Zugabe spielen will - Victor Bolarinwa will das immer - dann muss es auch Großes sein. Franz Schuberts Ouvertüre im italienischen Stil konnte in einer überzeugenden Aufführung nach der großen Haydn-Sinfonie bestehen.

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