Bürger und Flüchtlinge:"Warum bindet ihr uns nicht stärker ein?"

Asylbewerber Unterkunft

An der Hochstraße sollen Häuser wie hier an der Parzivalstraße entstehen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

In einem Karlsfelder Garten wagen Anwohner und Kommunalpolitiker den schwierigen Dialog über eine neue Flüchtlingsunterkunft.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Zum Glück hat Gerhard Grote einen großen Garten. Etwa sechzig Leute sind am Samstag zu einer spontanen Aussprache mit Bürgermeister Stefan Kolbe und Landrat Stefan Löwl (beide CSU) gekommen. In der Nachbarschaft herrscht Aufregung, seitdem bekannt ist, dass eine zweite Flüchtlingssiedlung in Karlsfeld geplant ist, gleich um die Ecke auf einer Grünfläche hinterm See, wo die Hochstraße auf die Bajuwarenstraße trifft. Bis zu 200 Menschen könnten dort wohnen für mindestens zehn Jahre. Die Anwohner haben erst aus der Zeitung erfahren, das ärgert manche. Und viele haben Fragen, die bisher noch keiner beantwortet hat.

Die Stimmung ist freundlich, man grüßt sich, Hände werden geschüttelt. Der Gastgeber scheint sich trotzdem zu sorgen, dass sein Garten Schauplatz einer hässlichen politischen Auseinandersetzung werden könnte. "Ich kenne kein Thema, das so schnell emotionalisiert ist und auf das falsche Gleis kommt", sagt er. Bürgermeister und Landrat erklären, warum die neue Flüchtlingssiedlung gut ist. Sie soll die Traglufthalle im Gewerbegebiet ersetzen. "Groß- und Massenunterkünfte sind nicht der richtige Weg, mit den Leuten umzugehen", sagt der Landrat.

Viele Anwohner sind verunsichert: Was erwartet sie?

Die Anwohner haben ihre eigene Perspektive. Und viele sind unsicher: Wer sind diese Fremden, die bald Nachbarn sein werden? Muss man Angst vor ihnen haben - vor allem wenn es alleinstehende Männer sind? "Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn 15-jährige Mädchen im Bikini am See liegen", sagt eine Mutter. Der Landrat versichert, dass er auf eine "gute Durchmischung" der Bewohner achten werde; voraussichtlich ein Drittel der Bewohner würden Familien sein. Die Sorge vor Übergriffen sei völlig unbegründet: Bei 2000 Flüchtlingen im Landkreis habe es bislang nur eine belegbare sexuelle Belästigung gegeben, und da sei der Täter sturzbetrunken gewesen. Ein Hausbesitzer verkündet trotzig, er habe sich einen Rottweiler zugelegt. Zur Sicherheit.

Es gibt aber auch viele, die für die Menschen werben, die aus Kriegsgebieten nach Deutschland fliehen. "Wenn bei uns eine Bombe aufs Haus fallen würde, wären wir doch die ersten, die abhauen", sagt einer. Und ein anderer rät: "Man sollte offen sein und miteinander in Kontakt treten." Peter Schuri vom Helferkreis hat extra drei Flüchtlinge mitgenommen, gewissermaßen als lebenden Beweis, dass das "ganz anständige, nette Leute sind". Natürlich kommt auch der Einwand, ob es denn nicht andere, bessere Standorte gegeben hätte, warum nicht öffentlich über sie gesprochen worden sei. Bürgermeister Kolbe skizziert die schwierige Flächensuche in der "flächenärmsten Gemeinde des Landkreises". Andere Standorte seien ungeeignet gewesen oder müssten für andere wichtige Vorhaben freigehalten werden, zum Beispiel für sozialen Wohnungsbau. Und öffentlich sei das alles gewesen. Man hätte nur mal den Bauausschuss besuchen müssen.

"Gemeinsam schaffen wir das", sagt der Landrat

Manche Bürger stört, dass überhaupt gebaut wird hier im Grünen. Vor einigen Jahren gab es für das Grundstück Pläne für ein Gewerbegebiet. Das konnten die Bürger mit ihren Protesten verhindern. Und jetzt? Die Weichen sind gestellt. "Aber dass dort auch effektiv gebaut wird, ist noch nicht sicher", sagt Löwl. "Warum bindet ihr uns nicht stärker ein?", fragt einer. "Ihr braucht uns Bürger doch." Und das stimmt zweifellos. Ohne die Helferkreise - in Karlsfeld gibt es 230 Aktive - ginge Löwls Behörde unter.

Der Landrat lobt dann auch den besonderen "Spirit" der Einwanderergemeinde Karlsfeld, die sich im Umgang mit Flüchtlingen offener und hilfsbereiter zeige als viele andere Kommunen. Und endet mit einem Satz, der bewusst an das Diktum der Kanzlerin angelehnt ist: "Gemeinsam schaffen wir das!"

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