Kunstkreis Karlsfeld:Ungewollt aktuell

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"Grenzlinien" heißt die Mitgliederausstellung des Kunstkreises Karlsfeld. Konzeptuell interpretiert das in diesen Tagen niemand.

Von Bärbel Schäfer, Karlsfeld

Als der Kunstkreis Karlsfeld sich für die Mitgliederausstellung das Wort "Grenzlinien" als Thema ausgesucht hatte, war das ganze Ausmaß der Flüchtlingskrise noch nicht einmal erahnbar. Vorsitzender Dieter Kleiber-Wurm hatte eher einen kunstimmanenten Gesichtspunkt damit gemeint, sozusagen als Anschluss zur letzten Jahresausstellung mit dem Thema "Trennen und Verbinden" und der großen Gemeinschaftsausstellung "Miteinander" im Frühjahr in der Karlsfelder Korneliuskirche. Plötzlich aber steht der Kunstkreis vor einer Herausforderung, dass ein eher kunstgeschichtlich gemeinter Aspekt existenzielle Fragen berührt. Ein Großteil der 22 teilnehmenden Kunstkreis-Mitglieder hat das Thema auch so interpretiert.

Das Objekt des Bildhauers Klaus Herbrich aus schwarzem Granit trägt den Titel "Schwere Wege". Es könnte auch Lampedusa heißen. Der Stein hat die Form eines Bootes, das sich leicht auf eine Seite neigt. Sein Rumpf ist glänzend poliert, ebenso die breiten, vertikal verlaufenden Grate auf der Oberfläche, die an Sitzbänke erinnern. Die polierten Oberflächen reflektieren das Licht und laden zur Berührung ein. Die dazwischen liegenden Flächen sind unbearbeitet, rau und stumpf. Auch verschließen sie optisch den Körper des Bootes. Dieses Boot aus Stein kann weder Passagiere aufnehmen noch schwimmen. Es würde untergehen, wie die Flüchtlingsboote im Mittelmeer.

Das Boot als Symbol von Flucht, Tragik und Hoffnung: Klaus Herberichs Skulptur aus schwarzem Granit. (Foto: Toni Heigl)

Dass Flüchtlinge die Hoffnung auf ein friedliches Leben in einer besseren Welt vielfach mit ihrem Leben bezahlen müssen, wird in Klaus Peter Kühnes Foto deutlich. Es zeigt ein putziges Holzschiff auf dem Spielplatz, das in pinkfarbenes Licht getaucht ist und den Schriftzug "Arche" trägt. Im Widerspiel mit Klaus Herbrichs Steinskulptur bekommt es die zynische Komponente einer Grenzerfahrung. Mit der Grenzüberschreitung von Recht zu Unrecht beschäftigt sich Liz Schinzler in einer abstrakten Komposition aus Grautönen, in der sich von einer dunklen, bleiernen Mitte feine Linien in die Höhe ziehen. Sie können nicht mehr sein als schwache Spuren, denn gegen die Schwere des Klumpens kommen sie nicht an.

Das Fotografenpaar Monika Dillenkofer und Herbert Schlittenbauer aus Reuth in der Oberpfalz sucht seine Motive in der Wildnis des Bayerischen Waldes. Die Fotos sind ein nachdenklicher und melancholischer Beitrag zur aktuellen Problematik, ohne diese plakativ zu benennen. Aufgerollter, liegen gelassener Stacheldraht im Wald, ein kaum sichtbarer Grenzzaun zwischen Feld und Wald und die von Menschen gebaute Grenze zwischen Land und See spielen an auf die zur Gewohnheit gewordenen, kaum mehr wahrgenommenen Grenzen in unserem Leben - und auf den früheren Eisernen Vorhang. Lotte Helbigs Beitrag ist da schon wesentlich deutlicher. Ein Halsband aus Stacheldraht in Feinsilber, betitelt "Collier für Fr. Merkel", und eine dicke Halskrause aus gebündelten und aufgefädelten ungarischen Briefmarken, genannt "Tolerierungsmodell", lassen den Standpunkt der Künstlerin erkennen.

Manfred Schmölzls Blechwanne mit Köpfen. (Foto: Toni Heigl)

Franz Bayers künstlerische Interpretation einer Grenzlinie besteht aus einem Blechbottich mit zwei Köpfen. Er visualisiert den Zustand, wenn einem das Wasser bis zum Halse steht. Der Kunstkreis-Vorsitzende Dieter Kleiber-Wurm will auf Humor nicht verzichten: Signalartige, weiße Zebrastreifen auf grauem Grund werden von einem kleinen grünen Männchen ihrer Ernsthaftigkeit und Wichtigkeit beraubt. Seine Tochter Barbara Kleiber-Wurm nähert sich dem Thema von der ästhetischen Seite mit einer Serie fein gezeichneter Tableaus aus farbig sich verzweigenden Linien auf hellschattigem Grund.

Manfred Schmölzl zieht in seiner speziell entwickelten Aquarelltechnik eine starke blaue Linie durch eine rotwolkige Fläche, wie ein DNA-Strang im Blut oder ein Fluss, der unaufhaltsam durch flüssige Lava treibt. Leonore Welscher beschäftigt sich mit der Ästhetik des Tanzes auf der Bühne, während Wolfgang Seehaus die grafische Schönheit von kleinen Holzzäunen sucht, die eine Winterlandschaft in Kompartimente unterteilen. Wie schön eine Welt ohne Grenzen sein könnte, zeigt Carin Szosteckis Vision von einer großen blauweißen Erdkarte, die eine Trennung nur zwischen Land- und Wasserflächen macht.

Kunstkreis Karlsfeld: "Grenzlinien". Vernissage am Freitag, 13. November, 19 Uhr. Geöffnet Samstag und Sonntag, 14./15. November und 21./22. November von 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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