Karlsfeld:Schnell wie der Opel Blitz

Sie rückten mit einem Traktor und einer Tragkraftspritze zum Brandort aus, Alarm wurde mit einer Trompete gegeben. Veteranen erzählen, wie es anno dazumal bei der Karlsfelder Feuerwehr zuging.

Walter Gierlich

Augustin Freis junior und Wilhelm Ritthaler waren noch im Teenager- oder, wie man damals sagte, Backfischalter, als sie bei der Feuerwehr ihren ersten Großbrand miterlebten bei der Firma Wülfert in der Rothschwaige. Es muss 1955 0der 1956 gewesen sein, so genau erinnern sich die beiden 75 und 74 Jahre alten Feuerwehr-Veteranen heute nicht mehr. Ein Löschfahrzeug besaß die Karlsfelder Feuerwehr seinerzeit nicht, das erste wurde 1957 angeschafft - ein Opel Blitz, der heute als immer noch fahrbereiter Oldtimer im Gerätehaus steht. Man rückte mit dem Traktor von Kommandant Augustin Freis senior aus, an den die Tragkraftspritze angehängt war. Die übrigen Einsatzkräfte, die Helm und Schutzkleidung ohnehin zu Hause aufbewahrten, rückten per Fahrrad oder Motorrad zum Brandort aus. Als die Löschtruppe ankam, stand alles in hellen Flammen, wie sich Freis erinnert. Und daran konnte auch die Feuerwehr nichts ändern. "Die Tragkraftspritze hat nicht funktioniert, ihr Motor ist nicht angesprungen", erzählt Freis, und kann im Abstand von fast 60 Jahren darüber lachen.

Karlsfeld: Feuerwehrveteranen mit historischem Handpumpenwagen: Hans Kraus, Josef Frahammer, Wilhelm Ritthaler, Gerhard Lotterer, Alois Oberbauer, Otto Aitermoser, Dieter Stutzenstein und Augustin Freis (v.l.).

Feuerwehrveteranen mit historischem Handpumpenwagen: Hans Kraus, Josef Frahammer, Wilhelm Ritthaler, Gerhard Lotterer, Alois Oberbauer, Otto Aitermoser, Dieter Stutzenstein und Augustin Freis (v.l.).

(Foto: Toni Heigl)

Die Karlsfelder Feuerwehr feiert in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen und ist damit die älteste vereinsmäßig organisierte Löschtruppe im Landkreis Dachau. Die alten Herren ("Frauen waren zu unserer Zeit undenkbar") um Freis, der 1966 seinen Vater als Kommandant beerbt hatte, und Ritthaler, der viele Jahre lang als Maschinist der Truppe tätig war, sind schon bis zu 60 Jahre dabei, der 79-jährige Sepp Frahammer sogar schon seit 65 Jahren. Zwei- bis dreimal im Jahr treffen sich die Veteranen zum Seniorenstammtisch, und dann werden die alten Geschichten erzählt, wie jene vom Brand bei Wülfert. Nicht nur in der Familie Freis - Michael Freis war 1862 bei der Gründung erster Kommandant - wurde die Tätigkeit in der Feuerwehr von Generation zu Generation "weitervererbt", auch in allen anderen alteingesessenen Karlsfelder Familien war die Mitgliedschaft eine Selbstverständlichkeit. "Da ist man ja auch mal rausgekommen, zu Fahnenweihen oder zu den Feuerwehrversammlungen", sagt Ritthaler im Rückblick auf die fünfziger Jahre.

Sein Vater Ludwig war damals als Hornist tätig: Er radelte mit seiner Trompete durch den Ort und alarmierte seine Feuerwehrkameraden, wenn es brannte. Telefone gab es in den vierziger Jahren nur beim Bürgermeister und beim Gasthof "Alter Wirt". Auf dem Freis-Hof, beim Feuerwehrkommandanten, wurde erst zu Beginn der fünfziger Jahre ein Fernsprecher installiert. "Wir haben uns alle vor dem Gerät gefürchtet", sagt der 75 Jahre alte Freis Gustl, der nicht nur Feuerkommandant war, sondern auch zweimal Deutscher Meister im Armbrustschießen. In den fünfziger Jahren wurde dann auch die Alarmierung modernisiert: Auf dem Sparkassengebäude an der Münchner Straße gegenüber dem alten Feuerwehrhäuschen wurde eine Sirene aufgestellt. Das Feuerwehrhäuschen, in dem kaum der Opel Blitz Platz fand, stand bis 1962 an der Stelle, wo sich heute das Karlsfelder Bürgerhaus befindet.

Nicht nur die Tätigkeit bei der Feuerwehr wurde weitergereicht, auch die Erzählungen über die Taten der Altvorderen. Die heutigen Senioren haben diese Anekdoten ihrer Väter immer noch parat. Etwa vom Großbrand auf dem Mühlich-Hof, nach einem Bombentreffer im Jahr 1944. Wohnhaus, Stall, Scheune - alles brannte nieder, nichts konnte gerettet werden - bis auf einen Keller, in dem sich Unmengen von Johannisbeerwein befanden. Nach dem anstrengenden Einsatz haben sich die Feuerwehrler selbst bedient und dann ihren Rausch im Kohlenkeller ausgeschlafen, so die Saga, die seither über die Jahrzehnte weiterlebt.

Ob die Frauentruppe der Feuerwehr, die 1942 zusätzlich aufgestellt worden war, weil immer mehr Männer in den Krieg hatten ziehen müssen, an dem Einsatz beteiligt war und sich auch am Wein gelabt hat, kann keiner der alten Herren sagen. Aber es erscheint eher zweifelhaft. Denn beim Stichwort Frauen und Feuerwehr kommt aus den Reihen der Veteranen heftiger Widerspruch. Frauen hätten bei der Feuerwehr absolut nichts verloren. Franziska Lottprein und Melanie Zollo hießen die beiden ersten weiblichen Einsatzkräfte, die Ende der neunziger Jahre bei der Karlsfelder Löschtruppe aktiv wurden. Und als das Thema angeschnitten wird, kommt von Dieter Stutzenstein, jahrelang Ausbilder des Nachwuchses und 18 Jahre Kassier, wie aus der Pistole geschossen der Konter: "Darum haben wir aufgehört."

Noch lauter wird das ablehnende Gemurmel, als der Vorsitzende des Festausschusses für die Jubiläumsfeier im September, Roland Gerhager, scherzhaft einwirft, die Frauen hätten sich sogar dafür ausgesprochen, den Bierautomaten gegen einen Kaffeeautomaten auszutauschen. Gerhager erinnert sich, dass einst genauso lebhaft über das Thema diskutiert worden sei wie über Frauen in der Bundeswehr. "Doch", so wiegelt er ab, "bei den Jüngeren sind Frauen längst als selbstverständlich akzeptiert." Unter den 76 aktiven Einsatzkräften sind heute sieben Frauen.

Unter den Veteranen sind mit dem ehemaligen Gemeindekämmerer Alois Oberbauer, dem früheren Bauhofleiter Hans Kraus und dem einstigen Rathausangestellten Otto Aitermoser auch einige Gemeindemitarbeiter. Es war in Gustl Freis' Kommandantenzeit Ende der sechziger Jahre, als das Thema Tageseinsatzbereitschaft schon einmal die gleiche Brisanz hatte wie heute auch, obwohl sich die Feuerwehr damals nur um Brände kümmern musste. Zwei bis drei Einsätze im Jahr habe man gehabt, sagt Freis. Heute sind es 200 bis 300, darunter nur wenige Brände, denn seit den siebziger Jahren rücke die Feuerwehr am häufigsten zu Verkehrsunfällen und technischen Hilfeleistungen aus. Freis habe dem damaligen Bürgermeister Bruno Danzer sein Leid geklagt, und der habe die männlichen Gemeindebediensteten verdonnert, der Feuerwehr beizutreten. "Wenn Alarm war, ist das Rathaus ganz schön leer geworden", erinnert sich Oberbauer.

Die neuen Feuerwehrmänner haben dann auch schon eine richtige Ausbildung durchlaufen und Leistungsprüfungen abgelegt. "So ein Schmarrn", habe sein Vater, der damalige Kommandant gesagt, als Anfang der sechziger erstmals Leistungsprüfungen eingeführt worden seien, erzählt Freis junior belustigt. Als er selbst und seine Altersgenossen mit 14 oder 15 Jahren zur Feuerwehr gegangen seien, habe es noch keine formalisierte Ausbildung gegeben. "Der Kommandant hat gesagt, was zu tun ist, und den Rest hat man sich bei den anderen abgeschaut."

Doch nicht alles hat sich geändert. "Nach den Einsätzen, wenn der Stress vorbei war, ist man zum Wirt gegangen und hat das Ganze nochmal beredet", berichtet Freis aus alten Zeiten. Heute müssen die Einsatzkräfte nicht mehr ins Gasthaus, sie können ihre Nachbesprechung im Feuerwehrhaus abhalten. Dort hat man sich auch ein gemütliches Stüberl eingerichtet, wie schon eine Kegelbahn im alten, von 1966 bis 1994 genutzten, Gerätehaus auf der anderen Seite der Falkenstraße. "Nicht von Steuergeldern gebaut", wie Ex-Kämmerer Oberbauer betont. Diese Annehmlichkeiten habe die Feuerwehr selbst bezahlt, großenteils aus Spendengeldern, erinnert sich Oberbauer: "Der Pfarrer Mühlhauser war richtig neidisch. Wir haben mehr zusammengebracht, als er für seine Glocke."

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