Karlsfeld:Politisches Hickhack

Warum die Errichtung des Karlsfelder Flüchtlingsdorfs gut zweieinhalb Jahre gedauert hat. Eine Chronik

Normalerweise geht die Errichtung von Unterkünften für Flüchtlinge ruckzuck, es ist eher eine Frage von Wochen als von Monaten. Anders beim Flüchtlingsdorf in Karlsfeld: Der Eröffnung am Freitag ging ein gut zweieinhalb Jahre langes politisches Hickhack voraus. Und jede Menge Durcheinander. Eine Chronik.

August 2013

In einer Sondersitzung stellt die Gemeinde ein 5000 Quadratmeter großes Grundstück an der Münchner Straße hinter dem Heizkraftwerk zur Verfügung. Den Standort halten die Gemeinderäte für ideal: Er liegt zentral und bietet beste Voraussetzungen zur Integration der Flüchtlinge. Widerstand von unmittelbaren Nachbarn ist nicht zu befürchten; die gibt es nämlich nicht. Geplant ist die Unterkunft für 50 Flüchtlinge, vor allem für Familien. Zu dieser Zeit ahnt noch keiner, wie viele Menschen drei Jahre später tatsächlich im Landkreis unterzubringen sein werden.

Februar 2014

Es wird bekannt, dass vielleicht doch etwas mehr Menschen in Karlsfeld untergebracht werden müssen. Nun ist von bis zu 84 Personen die Rede. Die Gemeinde ist bereit, das Grundstück der Regierung von Oberbayern zu verpachten, damit sie darauf ein Containerdorf errichtet. Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) geht zu diesem Zeitpunkt von einer Befristung auf zwei bis fünf Jahre aus. Für die Unterkunft formuliert die Gemeinde auch eigene Wünsche: Der Boden soll befestigt sein, damit sich das Areal nicht bei Regen in eine Schlammwüste verwandelt, außerdem sollen die Unterkünfte gewisse Baustandards erfüllen. Die marode Dachauer Gemeinschaftsunterkunft ist den Karlsfeldern ein abschreckendes Beispiel.

November 2014

Wegen interner Querelen von Regierung und Ministerien, wer wie viel bezahlt, liegen die Pläne für das Flüchtlingsdorf mehr als ein Jahr nach dem Gemeinderatsbeschluss immer noch auf Eis. Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) ist mit der Geduld am Ende. "Es ist schändlich, dass der Staat seine Aufgaben nicht wahrnimmt", sagt er bei einer Veranstaltung der Korneliuskirche. "Die Menschen, die zu uns kommen, haben Hilfe verdient." Der Untätigkeit der Regierung gibt er eine Mitschuld daran, dass der Landrat nun Notfallpläne ausarbeiten und Menschen in Turnhallen pferchen lassen muss.

Mai 2015

Ein halbes Jahr später liegt immer noch kein Bauantrag der Regierung vor. Viele Bürger, die nur darauf warten, helfen zu können, fragen irritiert, wann die Flüchtlingsunterkunft denn nun kommt. "Ich bin davon ausgegangen, dass es etwas schneller geht", sagt Bürgermeister Kolbe.

Juli 2015

Während in anderen Landkreisgemeinden immer mehr Schutzsuchende untergebracht werden, beträgt die Zahl der Flüchtlinge in Karlsfeld weiterhin null. Gleichzeitig wird der Gemeinde mitgeteilt, dass sie eine erheblich größere Zahl von Flüchtlingen aufnehmen muss, als zunächst angekündigt, nämlich 500 statt 50. Davon sollen 300 in einer Traglufthalle untergebracht werden. Folgerichtig muss das Karlsfelder Flüchtlingsdorf etwa 200 Menschen Platz bieten. Und es soll nicht zwei, sondern zehn Jahre stehen.

September 2015

Eigentlich sollte jetzt eine voll belegte Traglufthalle in Karlsfeld stehen, aber die Pläne verzögern sich. Angesichts der großen Zahl von erwarteten Flüchtlingen drängen die Bürger darauf, trotzdem sofort einen Helferkreis zu bilden. Mehr als 143 Karlsfelder nehmen am ersten Treffen teil.

November 2015

Die Traglufthalle wird eingeweiht. Die etwa 280 Bewohner sind allesamt alleinstehende junge Männer. Langeweile, Frust und prekäre Wohnverhältnisse führen immer wieder zu Auseinandersetzungen. Die Karlsfelder Traglufthalle wird zum Brennpunkt im Landkreis. Unterdessen haben die Bauarbeiten für das Flüchtlingsdorf begonnen. Insgesamt können dort bis zu 186 Personen untergebracht werden.

Februar 2016

Nach drei Monaten Bauzeit werden die Gebäude an den Landkreis übergeben. Sie sollen einen neuen Standard in der Flüchtlingsunterbringung setzen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: