Karlsfeld:Pädagogik der engen Bindungen

Karlsfeld: Rektorin Petra Weindl wirbt vor der Sitzung des Kreisausschusses für die Erhaltung der Bamberger-Schule.

Rektorin Petra Weindl wirbt vor der Sitzung des Kreisausschusses für die Erhaltung der Bamberger-Schule.

(Foto: Toni Heigl)

Die Elisabeth-Bamberger-Schule verschafft 80 Prozent aller Kinder einen Ausbildungsplatz. Plädoyer gegen die Schließung

Von Wolfgang Eitler, Karlsfeld

Michael hat 2004 den Qualifizierenden Hauptschulabschluss gemacht. Als er in der SZ las, dass seine Elisabeth-Bamberger-Schule in Karlsfeld noch dieses Jahr dicht machen muss, weil der Trägerverein Kinderschutz München die Schule komplett aufgibt, wollte er die Lehrer nochmals sehen. Michael hat nach der Schulzeit eine Lehre erfolgreich abgeschlossen und arbeitet bei einem Unternehmen in einer Werbeabteilung. Er ist nicht der einzige, der den Weg in das schulische und berufliche Desaster durch die besondere Pädagogik der Bamberger-Schule vermied. 80 Prozent der Schüler erreichen einen Ausbildungsplatz.

Deshalb ist es zur Sitzung des Kreisausschusses an diesem Freitagmorgen wichtig, Rektorin Petra Weindl mit einem Plädoyer zu Wort kommen zu lassen. Denn das Gremium des Landkreises berät über eine Dringlichkeitsanfrage der SPD, um die Schule doch noch zu retten. Wie Landrat Stefan Löwl (CSU) der SZ mitteilte, wird an diesem Freitag keine Entscheidung fallen. Er verweist darauf, dass "nicht einmal ein Viertel aller Schüler im Landkreis wohnt". Insofern muss vermutlich eine Lösung gefunden werden, an der sich mehrere Landkreise und wohl auch die Regierung von Oberbayern als Schulaufsichtsbehörde beteiligen.

Seit 25 Jahren ist Petra Weindl an der Schule tätig, die vor 58 Jahren gegründet wurde. Sie erzählt von Kindern, die zu ihr sagten: "Das ist die erste Schule, an der ich gemocht werde." Dort kümmern sich acht Lehrer, fünf Heilpädagogen und zwei Fachlehrer um 60 Schülerinnen und Schüler. Dazu kommen noch fünf Sozialpädagogen. Zusätzlich ist regelmäßig ein Psychologe anwesend. Wichtige Therapien beispielsweise bei Legasthenie werden von externen Fachkräften angeboten. Außerdem arbeitet die Bamberger-Schule eng mit Angeboten der Jugendhilfe des Münchner Kinderschutzvereins zusammen, die in den Schulbetrieb eingebunden sind. Beispielsweise gibt es eine spezielle Stütz- und Förderklasse.

Rektorin Petra Weindl weiß um die Probleme der Kinder: "Viele leiden an Bindungsunfähigkeit." Die meisten haben eine heftige Schulkarriere bis zum Schulversager hinter sich. Die Folgen sind mangelndes Selbstbewusstsein, strikte Arbeitsverweigerung und der Hang zur Aggression. Da hilft aus Sicht von Pädagogin Petra Weindl nur eines: "Die Kinder brauchen eine enge Bindung an die Schule. Sie brauchen Menschen, die sie aushalten können." Deshalb ist der im Vergleich zu Regelschulen hohe Personalaufwand entscheidend. Weindl: "Wir geben ihnen ein stabiles Bindungsangebot."

Genau diese Hilfe benötigen die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den Pädagogen jetzt von Politikern und Mandatsträgern. Vor einigen Jahren hatte der Trägerverein Kinderschutz München die Idee, sein Areal aus Schule und Heim in Dachau lukrativ zu vermarkten und in Markt Indersdorf neu und größer zu bauen. Der damals ehrenamtlich geführte Verein verlor den Millionbetrag aus dem Verkauf nahezu komplett und bezog in Karlsfeld ein Ausweichquartier. Mittlerweile sieht sich der Verein nicht mehr in der Lage, die Förderschule trotz der üblichen staatlichen Zuschüsse fortzuführen.

Dabei ist diese Schule anscheinend nötiger denn je. Rektorin Weindl sagt, dass die Zahl der Schüler mit Bindungsproblemen seit einigen Jahren steigt. Die Ursachen sind vielfältig. Bei einigen Kindern liegen genetische Defekte vor, die man allerdings in den Griff bekommen kann. Innerfamiliäre Probleme spielen häufig eine große Rolle. Wie Petra Weindl ausdrücklich betont: "Quer durch alle Schichten, bis zur Akademikerfamilie."

Schlüssige Erklärungen, warum zusehends mehr Kinder unter massiven Verhaltensauffälligkeiten leiden, fehlen nach Weindls Ansicht. Die Ursachen sind sicherlich vielfältig. So sehen Pädagogen einen engen Zusammenhang zwischen emotionalen und sozialen Störungen einerseits und einem ständig steigenden Medienkonsum andererseits. Entscheidend sind wohl auch veränderte Familienstrukturen, die oftmals wenig inneren Halt bieten.

Deshalb sagt Weindl auch: "Je früher Kinder mit ihren Problemen bei uns sind, desto besser können wir ihnen helfen." Und dann kommt es sogar vor, dass einige Schüler den Weg ans Gymnasium oder an eine Realschule schaffen und dort auch erfolgreich sind. Weindl: "Es sind nicht viele. Aber immerhin." Die Sitzung des Kreisausschusses beginnt am Freitag, 5. Februar, um 9.30 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: