Karlsfeld:"Dagegen sind die Champs Elysées ein Trampelpfad"

Die Münchner Straße in Karlsfeld wird aufwendig umgebaut. Doch einige Gemeinderäte sind mit den Neuerungen gar nicht einverstanden.

Gregor Schiegl

SPD-Gemeinderat Günter Bunk befürchtet das Schlimmste. "Das gibt ein Riesenchaos", prophezeite er im Bauausschuss. Das Staatliche Bauamt Freising hat einige Forderungen zur Neuordnung des Verkehrs an der Münchner Straße gestellt. Die sind aus Sicht der Behörde notwendig, weil die vierspurige Straße auf 400 Metern komplett umgebaut wird, mit einem Ärztehaus, Fachmärkten, Wohnungen und den bereits bestehenden Läden, einer Apotheke und einer Bäckerei. Die CSU hat dafür das Schlagwort vom "Boulevard Münchner Straße" geprägt.

Karlsfeld: Auf der Münchner Straße in Karlsfeld fahren täglich bis zu 35 000 Fahrzeuge.

Auf der Münchner Straße in Karlsfeld fahren täglich bis zu 35 000 Fahrzeuge.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Bunks Befürchtungen sind nicht unbedingt repräsentativ für das Gremium, aber ganz wohl ist auch den anderen Gemeinderäten nicht. "Es ist ein etwas seltsames Gefühl, über etwas zu beschließen, das man eigentlich nicht ganz verstanden hat", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Reinhard Pobel. Selbst Verkehrsreferent Bernd Wanka (CSU) traute sich kein abschließendes Urteil zu. "Für das zuständige Verkehrsbüro wird es eine knifflige Aufgabe, das Ganze verkehrsrechtlich korrekt zu überplanen", sagt er, das habe auch mit "den vielen Querungsbeziehungen zu tun".

Einige neue Ein- und Ausfahrten auf die stark befahrene Straße wird es geben, dabei muss der Fuß- und Radweg an der Münchner Straße gekreuzt werden. 2009 registrierte die Polizei 351 Unfälle in Karlsfeld, 130 davon allein an der Münchner Straße. "Der Radweg wird zu einer neuen Gefahrenquelle", befürchtet Bündnis-Fraktionsvorsitzende Mechthild Hofner. Mit dieser Einschätzung steht sie nicht alleine da. Das Architekturbüro Steidle, Planer der Neuen Mitte, forderte sogar, ganz auf den Weg zu verzichten - sicherheitshalber.

Zu den zentralen Forderungen des Bauamts gehört auch eine neue Ampel an der neuen Erschließungsstraße von und zum geplanten Ortszentrum, der Neuen Mitte. Die Ampelanlage soll harmonisch in die "Grüne Welle" der Durchgangsstraße geschaltet werden und das sichere Ein- und Ausfädeln der Autos sicherstellen. Diese Ampel sei "ein großer Gewinn für die Gemeinde", sagte Dag Hogh-Binder (CSU). Sie bedeute auch "eine Aufwertung für die Neue Mitte".

Für einen Fußgängerüberweg ist die Ampelschaltung jedoch zu kurz. Das Bauamt weist auch ausdrücklich darauf hin, dass eine nachträgliche Signalanlage für Fußgänger hier nicht mehr eingerichtet werden könne. Nach Angaben von Bauamtsleiter Thomas Schlichenmayer ist das auch nicht geplant. 200 Meter weiter gebe es "einen großzügigen Übergang".

Nachteile für Gewerbetreibende befürchtet

Um die unvermeidbaren Querungen des Fuß- und Radwegs möglichst konfliktfrei zu gestalten, favorisiert das Straßenbauamt bei Ein- und Ausfahrten die Devise "Rechts rein, rechts raus". Für die Shell-Tankstelle auf der östlichen Seite könnte das besonders gravierende Folgen haben: Sie wird voraussichtlich nur mehr aus Richtung München zu befahren sein. Abfahren kann man dann ebenfalls nur mehr Richtung Dachau. Grund ist nicht zuletzt eine neue Abbiegespur, die das Bauamt für den Links-Abbiegeverkehr aus Richtung Dachau in die neue Erschließungsstraße fordert. .

Allein für die Ampelanlage sieht Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) Kosten von rund 150.000 Euro auf die Gemeinde zukommen. Diese würden allerdings "zu einem erheblichen Anteil" auf die anliegenden Investoren umgelegt. Details müssten noch im städtebaulichen Vertrag geregelt werden. Er sprach von einer "insgesamt vernünftigen Lösung".

Am Donnerstag fasste der Gemeinderat den Billigungsbeschluss für das Projekt. Wobei CSU-Gemeinderat Wolfgang Mühlich aus der schwarz-roten Phalanx ausbrach. Er machte für seine Ablehnung die Verkehrsregelung geltend, die insbesondere gewerblichen Anliegern der Münchner Straße Nachteile bringen könnte: "Mit dieser Rechts-rein-Rechts-raus-Regelung komme ich nicht klar."

Das Bündnis übte weitreichende Kritik an der Umsetzung der Pläne. "Ich glaube nicht, dass dort noch eine Allee entstehen kann", bedauerte Marco Brandstetter. "Das Bauvolumen wird voll ausgenutzt", bilanzierte Fraktionssprecherin Mechthild Hofner, "überall werden Festsetzungen überschritten". Für einen ansprechenden Fuß- und Radweg für die Karlsfelder fehle deshalb der Platz. Günter Bunk (SPD) findet die Fußweg-Planungen hingegen sehr großzügig und meinte: "Dagegen sind die Champs Elysées in Paris ein Trampelpfad!"

Champs Elysées wird Karlsfeld freilich nicht bekommen, und auch keine Leopoldstraße, wie Bernd Wanka anmerkte. "Wir kriegen einen Boulevard im Sinne von Karlsfeld." Für diesen Satz erntete der Verkehrsreferent sarkastisches Gelächter bei den Bündnis-Vertretern. "Architektonisch sind wir weit von einer ansprechenden Lösung entfernt", sagte Hofner. Statt des versprochenen Boulevards bekomme Karlsfeld ein "Gewerbegebiet an der Münchner Straße".

Dem Bauingenieur Dag Hogh-Binder (CSU) war diese Haltung zu defätistisch. Man müsse "eine Architektur hinbringen, die diesem sensiblen urbanen Bereich genügt". Er glaube fest an ein Gelingen: "Wir haben Vertrauen in die Architekten."

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