Karlsfeld:Namen und Schicksale

Der Mittelschule Karlsfeld gelingt ein herausragender Beitrag zur Integration von ausländischen Kindern und Flüchtlingen. Es hat sich eine richtige Gemeinschaft gebildet, die jetzt ihre Werke zu ihrem Anliegen ausstellt

Von Julian Erbersdobler, Karlsfeld

Rahaf, Tasnem, Elisavet und Jasmin sitzen in einer Reihe und unterschreiben einen weißen Zettel, dann geben sie ihn weiter und verewigen sich auf dem nächsten. Die Signaturen unterscheiden sich. Große geschwungene Lettern neben kleinen, auf den ersten Blick zusammenhanglosen Zeichen. Sie könnten als Teenie-Band bei einer Autogrammstunde durchgehen. Das liegt vielleicht auch daran, dass ihren Stand alle Besucher in der Karlsfelder Mittelschule mit einem Lächeln verlassen.

Warum? Es ist die Vielfalt.

Rahaf und Tasnem sprechen arabisch, Elisavet kann russisch und griechisch, Jasmin hat thailändische Wurzeln. Und weil es an diesem Abend um Namen und deren Bedeutung geht, können sich die vier Schülerinnen als Übersetzer einbringen. Eine Aufgabe, die sie auch aus dem Schulalltag kennen, erzählt Sabine Mühlich. Die Religionspädagogin hat die Ausstellung gemeinsam mit ihrem Team organisiert.

Ihr Team, das sind 16 Schülerinnen und Schüler aus beinahe ebenso vielen Herkunftsländern, die regelmäßig zusammenkommen, um "sich gegenseitig zuzuhören". Die Varius-Gruppe, so nennen sie sich, gibt es seit diesem Schuljahr. Mühlichs Stunden werden von der evangelischen Landeskirche getragen, die Sparkassenstiftung hat zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Und das Resultat kann sich sehen lassen. Im gut besuchten Ausstellungsraum gibt es in jeder Ecke etwas zu entdecken. Auf bunten Schauwänden werden die unterschiedlichsten Facetten des Themas dargestellt.

Was sind die beliebtesten Vornamen in Syrien? Wie darf man sein Kind in Deutschland nicht nennen? Wie unterscheiden sich Begrüßungsrituale? Auf einem anderen Plakat lernt man, warum sich der amerikanische Rapper Calvin Cordozar Broadus für den Künstlernamen Snoop Dogg entschieden hat. Er soll ein großer Fan der Kinderserie "Snoopy" gewesen sein. Und da Snoopy ein Hund war, kam für ihn kein anderer Name in Frage. Es ist die Vielfalt, die an diesem Abend begeistert.

"Diese tolle Ausstellung spiegelt das Bild unserer Mittelschule wieder", sagt auch Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). "Mittlerweile lernen hier Schüler aus etwa 28 Ländern zusammen - und davon haben alle etwas." Warum sich die Ausstellung mit dem Namensthema auseinandersetzt, unterstreichen Zitate, die quer im Raum verteilt sind. "Der Eigenname eines Menschen ist wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben darf, ohne ihn selbst zu verletzen", heißt es auf einem Zettel, ein Goethe-Zitat.

An einem anderen Stand liegen Bilder und Namen des Lehrerkollegiums der Mittelschule aus, daneben einige Hieroglyphen. Die Aufgabe: Namen und Hieroglyphen-Schrift müssen übereinstimmen. Im linken hinteren Eck ist eine kleine Werkstatt aufgebaut. Hier können sich die Besucher, von Schülern angeleitet, einen Anstecker mit dem eigenen Namen basteln. In der Mitte des Raums stehen kleine Tische mit Wörterbüchern, Brause und bunten Zetteln mit der Aufschrift "prickelnd". Die Liebe zum Detail ist nicht zu übersehen.

In ihrer Eröffnungsrede bezieht sich Sabine Mühlich auf ein persönliches Erlebnis im Friedhof. Dort habe sie zwei Männer, einen Griechen und einen Münchner, beobachtet, die auf den ersten Blick nichts miteinander verband. Sie kamen ins Gespräch und es wurde klar, dass beide dasselbe Schicksal teilen: Sie haben ihren Sohn verloren. Im Raum herrscht absolute Stille, als die Organisatorin ihre Geschichte erzählt. Später ist die Stimmung wieder ausgelassen und heiter. Besonders am Stand der jungen Übersetzerinnen. Es ist die Vielfalt, die diesen Abend ausmacht.

Rahaf trägt ein schwarzes Kopftuch, sie lächelt, übersetzt fleißig Namen ins Arabische, dann erzählt sie ihre Geschichte. Das Mädchen kommt aus Syrien. Wegen des Kriegs musste sie gemeinsam mit ihrer zehnköpfigen Familie fliehen. Ein Jahr und drei Monate sei das jetzt her, sagt sie in sehr gutem Deutsch. Gerade gehe sie noch in eine der beiden Übergangsklassen, das soll sich aber bald ändern. Ihr Ziel für das nächste Schuljahr: "Ich will den Quali machen!"

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