Karlsfeld im Stau, Folge 3:Umdenken, umplanen, umsteigen

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Ein Bus der Linie 701 unterwegs in der Gartenstraße in Karlsfeld: der Gegenverkehr und die zugeparkten Straßenränder machen es den Busfahrern schwer. (Foto: Toni Heigl)

Die Karlsfelder fahren viel öfter mit dem Auto als mit dem Bus. Das liegt nicht nur an der eigenen Bequemlichkeit, sondern auch an den Schwächen des Liniennetzes: Lücken im Takt, die Anschlüsse zur S-Bahn passen nicht - und speziell im Westen der Gemeinde fehlt die Anbindung

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Die Zahlen aus dem neuen Verkehrsgutachten sind ernüchternd. Nur einer von 100 Wegen innerhalb Karlsfelds wird mit dem Bus zurückgelegt, dafür 59 mit Auto, Moped oder Motorrad. Selbst wenn man den Gesamtverkehr betrachtet - also auch die Wege von und nach Karlsfeld oder durch Karlsfeld hindurch - schafft es der Busverkehr gerade mal auf einen Anteil von drei Prozent; die S-Bahn kommt in der Pendlergemeinde auf acht Prozent. Es ist also noch Luft nach oben, das sehen auch die Karlsfelder so. In einer Haushaltsbefragung wünschte sich fast die Hälfte der Interviewten Verbesserungen im örtlichen und regionalen Busverkehr, nur ein Viertel hält das nicht für notwendig.

Das Karlsfelder Liniennetz ist - schon aufgrund seiner Nähe zu München - eigentlich gar nicht schlecht. Aber im Alltag zeigen sich immer wieder Schwächen: Lücken im Takt, die Anschlüsse zur S-Bahn klappen oft nicht. Und manche, die gerne das Auto stehen lassen würden, haben gar keine Chance, auf den Bus umzusteigen, weil die Anbindung schlecht ist oder schlichtweg fehlt. Das gilt auch und besonders für den Ortsteil westlich der Bahn. "Es ist wesentlich, dass man erst mal die Anbindung in Karlsfeld West in Angriff nimmt", sagt Verkehrsgutachter Christoph Hessel. Im Verkehrsentwicklungsplan für die Gemeinde empfiehlt er eine Verlängerung der Linie 160 nach Karlsfeld. Sie startet im Münchner Stadtgebiet und verbindet die Bahnhöfe Lochham, Pasing und Allach.

Die Linie ließe sich über den Bahnhof Karlsfeld fortsetzen bis hin zum Ortszentrum: Nach einem ersten Entwurf würde der Bus vom Bahnhof die Bayernwerkstraße bis zum Ortseingang bei den M3-Märkten nehmen, ein Stück über die Münchner Straße fahren und in einer Schleife über Garten- und Krenmoosstraße wieder zurückgeführt werden. Die Alternative: Statt auf die Münchner Straße abzubiegen, könnte der Bus geradeaus über die Kreuzung fahren und über Hochstraße und Bajuwarenstraße das Gewerbegebiet Dachau Ost anfahren. Die Wendeschleife würde das Karree zwischen Fraunhofer- und Rudolf-Diesel-Straße umfassen, wo auch das Kino und ein Gartenbaumarkt liegen. Beides gibt es in Karlsfeld bislang nicht.

Neben der schnelleren Verbindung Moosach - Karlsfeld - Dachau und der besseren Anbindung des S-Bahnhofs Karlsfeld steht auch eine bessere Busanbindung nach Pasing im Fokus und eine durchgehende Bedienung des Gewerbegebiets Karlsfeld. Der Bus 711 vom Gewerbegebiet zum Bahnhof verkehrt nur unregelmäßig und zwischen 9 Uhr und 13 Uhr überhaupt nicht. Die Verkehrsexperten schlagen einen durchgehenden 20-Minuten-Takt vor. Allerdings hat die Geschichte einen Haken. Keines der zusätzlichen Busangebote lässt sich kurzfristig umsetzen. Nach einem Kreistagsbeschluss sollen die Landkreiskommunen keine weiteren Maßnahmen im Busnetz mehr vornehmen, ehe nicht der Landkreis seinen Nahverkehrsplan aufgestellt hat, und das wird voraussichtlich nicht vor 2019 der Fall sein.

Der Verkehrsentwicklungsplan der Gemeinde erforderte komplizierte Datenerhebungen und Haushaltsbefragungen, es gab mehrere moderierte Bürger-Workshops. Manche Gemeinderäte wie Adrian Heim vom Bündnis für Karlsfeld reagieren frustriert, dass die guten Ideen vorerst in der Schublade bleiben. Verkehrsexperte Christoph Hessel hält die Zeit bis zum Abschluss der Landkreisplanungen trotzdem nicht für verloren. Die Gemeinde habe auf Kreisebene die Möglichkeit, immer wieder ihre Forderungen zu artikulieren. Lobbyarbeit gehört manchmal auch dazu.

Große Interessensgegensätze zwischen Landkreis und Gemeinde sind kaum zu befürchten. Sowohl die Stadt Dachau als auch die ländlichen Gemeinden im Norden haben ein vitales Interesse daran, dass der Verkehr in Karlsfeld nicht zusammenbricht; Karlsfeld ist der Flaschenhals für die Pendlerströme nach München. Die Überlegungen zur Ertüchtigung des Busverkehrs zwischen Kreis und Gemeinde decken sich bislang weitgehend. Beide Ebenen diskutieren eine separate Busspur parallel zur stark belasteten B304 zwischen Dachau und Karlsfeld. Sollte Karlsfeld mit seinen Plänen ernst machen, bei Stau Autos auf der B304 vor dem Ortsschild warten zu lassen, bis die Straße wieder Verkehr aufnehmen kann, würde die Busspur das Umsteigen vom Auto noch attraktiver machen. Die Fahrgäste würden am Stau einfach vorbeifahren statt wie jetzt, im Bus im Stopp-and-Go-Verkehr zu stecken, mittendrin im Verkehrschaos, und genau so zu spät zu kommen wie die Autofahrer.

Viel Zeit verlieren die Busfahrer auch, wenn sie sich aus den Haltebuchten entlang der Münchner Straße an den M3-Einkaufsmärkten, der Haltestelle Krenmoosstraße oder am Würmkanal wieder auf die Straße vortasten müssen. Bei jeder Ausfahrt müssen sie im Schnitt fünf bis zehn Sekunden warten. Das sind kleine Verzögerungen, die sich aber summieren. Sogenannte Buskaps sollen diesen Zeitverlust künftig verhindern: Der Bus hält dann einfach auf der rechten Spur. Damit blockiert er zwar kurzzeitig den Verkehr hinter sich, hat dafür aber freie Bahn, um nach seinem Halt ohne Verzögerung gleich wieder loszufahren. Wartezeiten an den Ampeln könnten durch eine Vorrangschaltung für Busse ebenfalls erheblich verringert werden. Experten des MVV haben im Kreistag zudem angeregt, zwischen Dachau und München Schnellbusse einzusetzen.

Schnellbusse sind so konstruiert, dass viele Passagiere schnell zu- und aussteigen können. Tickets kaufen die Nutzer an den Haltestellen. Andernorts sind solche Bussysteme längst etabliert. In Hamburg werden mit Schnellbussen etwa 60 000 Fahrgäste am Tag befördert. Nach Berechnungen des Ingenieursbüros TSC würde der Ausbau der Linie 710 beziehungsweise 716 zur Schnellbuslinie Kosten von rund einer Million Euro nach sich ziehen. Der Anteil, den die Gemeinde Karlsfeld tragen müsste, läge bei rund 70 000 Euro.

Weil auch das beste Bussystem nicht jeden von überall schnell und bequem überall hinbringen kann, gibt es auch Überlegungen für die Einrichtung eines Pendlerparkplatzes am Ortseingang Karlsfeld. Der frühere Verkehrsreferenten Bernd Wanka (CSU) hat allerdings noch eine andere, interessante Variante vorgeschlagen, die der Landkreis prüfen will, nämlich die stillgelegte Bahn-Haltestelle Breitenau wieder aufzumachen und dort einen Parkplatz mit Umsteigemöglichkeit in den Schnellbus zu schaffen.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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